Interessante Briefe
Ich bekomme etliche Briefe, die sich mit dem was ich schreibe
(Bücher, Artikel) beschäftigen. Wie es so beim Leser ist, einige
unterstützen meine Meinung, aber es sind auch Leser die eine ganz
gegenteilige Meinung haben. Es ist gut, dass auch solche Briefe kommen, den
wir müssen die Gelegenheit zum Diskutieren haben.
Ich erlaube mir heute einen solchen Brief, der die ganze
Vielfalt des schlesischen Menschen zeigt, zu besprechen. Der Leser schreibt:
Mein Vater (Jahrgang 1898) war, wie seine übrigen drei
Brüder und deren Vater Franz (Jhrg.1869) begeisterter Teilnehmer des III.
Aufstandes. Als die Insurrektion ausbrach, entließ Großvater Franz die oft
über dreißig Mann zählenden Fachkräfte seines Ujester und Gleiwitzer
Bauunternehmens, indem er ihnen verkündete: Teraz chlopy nie jest czas na
robota; teraz idymy niemcow wyganiac! Und weil sich mein Vater während
jenes „Verjagens“ des Todes mehrerer Grenzschutzmänner in Ujest
schuldig gemacht hatte, war für ihn nach dem Aufstand kein Platz mehr in
Deutschland. Deswegen kaufte ihm Großvater Franz eine große bebaute
Liegenschaft in K... Seine junge Frau aus Z. wollte nicht mit, wonach er
sich scheiden musste und meine spätere Mutter aus D. heiratete. Großvater
Franz hatte vorsichtshalber die Hälfte der großen Liegenschaft für sich
behalten und dann nach Jahren an meine Mutter vermacht...
Und hier haben wir eine Antwort auf oft in
Polen in verschiedenen Büchern geschriebene Behauptungen, dass Polen wegen
dem Aufstand vor den Deutschen flüchten mussten. Ich könnte mir vorstellen,
dass der Vater Franz, wenn er in Deutsch-Oberschlesien geblieben wäre, sich
vor einem Gericht wegen Totschlag rechtfertigen müsste. Auch kann ich mir
vorstellen, dass er wusste, was für ein Urteil man damals ausgesprochen
hätte, deshalb ist er über die Grenze nach Polen gegangen. Leute, die sich
als Polen ausgegeben haben und nichts gegen ihre Mitbürger schlechtes
unternommen haben, mussten nicht flüchten.
Mein zweiter Großvater Bernhard aus H. behauptete
lebenslang, er sei ein Deutscher, obwohl er bis an seinen Tod kein
Sterbenswörtchen Deutsch verstanden hatte!
Vor kurzem habe ich in einer Diskussion
gehört, dass es einige deutsche Bürger gab „die schlesische Sprache
gesprochen haben, aber im Herzen Preußen waren“.
Bei ihm und Großmutter verbrachte ich fast die ganze Zeit
der Ehekonflikte meiner Eltern bis Kriegsanfang. Wohlgemerkt das Dorf
befindet sich jenseits der vorkrieglichen Staatsgrenze auf damals deutscher
Seite. Und trotzdem hatte ich meine Deutschkenntnisse völlig verlernt. (was
Sie in Ihrem Buch näher beschrieben haben). Auf meiner Hochschule gelang es
mir diese Kenntnisse neben dem gelernten Englisch wieder zu erwerben.
Jeszcze za czasow „komuny“ erlag ich einem schweren Unfall und
vermochte diese Zeit zum Vervolkommen meines Deutsch auszunützen - so weit
auszunützen, dass ich es zum zweiten Magisterdiplom in Germanistik gebracht
hatte. Danach wurde ich als Dolmetscher bei der... PZPR beschäftigt und
verweilte lange Zeit in der DDR, und benutzte diese Zeit zu illegaler
Betätigung... Natürlich wurde ich von der Stasi, dem genialen Schüler der
Gestapo festgenommen und blieb in einige Knasten der DDR verhaftet. Vor drei
Jahren bei einer Feierlichkeit, versicherte mir Bundespräsident Herzog, er
werde sich für meine deutsche Ehrebürgerschaft einsetzen.
Dies kann mir aber gestohlen bleiben, denn ich habe die BRD
ebenso gern, wie die Republik Polen. Ich kämpfe nämlich, wenn man es
heutzutage „Kampf“ nennen kann, für das Wiedererlangen der
Autonomie Schlesiens. Aussichtslos? Na ja, vielleicht. Aber manchmal bringt
es auch viel Genugtuung an verspielter Seite kämpfen zu dürfen!
Sagen Sie mal offen: Hat es auf die Dauer Sinn sich für die
deutsche Minderheit zu bemühen? (ich nehme an, Sie beschäftigen sich auch
damit?). Von Zeit zu Zeit besuche ich die hiesigen Verbände, d.h. die im
Randgebiet des ehemaligen Deutsch-Oberschlesien. Bei den monatlichen
Versammlungen sieht man fast nur ältere Weiblein, die nicht einmal gut
deutsch sprechen -nach der in kläglichen Deutsch gehaltenen Einleitung
geschieht dann allmälig der Übergang wenn Sie es so wollen, ins
Wasserpolnisch. Viel anders ist es auch nicht in den Großstädten Zabrze,
Gleiwitz und so weiter. Diese „Deutschen“ erwarteten nur
dauernde finanzielle Hilfe und nun singen sie mit schläfriger Begeisterung
den „Tannenbaum“ oder viel seltener „O Täler weit, o
Höhen...“ und überlegen auf dem Heimweg, ob es sich noch lohnte
wieder zu kommen!
Wir dürfen nicht vergessen, dass man ab 1945
bis 1988 z.B. im Oppelner Schlesien nicht Deutsch sprechen durfte, denn das
wurde mit Geldstraffen geahndet, weiterhin haben wir in Oppeln auf der
Pädagogischen Hochschule Germanistik gehabt, aber Schlesier durften dort
nicht studieren, sie hatten ja keine Grundkenntnisse der Sprache und auch kein
Fach deutsch auf dem Abiturzeugnis vorzuzeigen. Hier waren die Schlesier zum
wiederholten Male als Leute der II Kategorie beachtet.
Die „Heimkehr in die alten Lande der Piasten“
war ein genialer Schachzug der Polen! Auch seit 1921 die Einkehr der Gorole
und nach 45 die, der „Hasaje“ ins Oppelner Land waren wahrlich
genial bedacht. Wir Oberschlesier wurden in dieser „Suppe“
derart verdünnt, dass es die gemischten Ehen, und die verzweifelte Einsicht
gab, dass dieses Gesindel vielleicht doch unsere „Kulturträger“
sind. Ich will Ihnen schon nicht von der übermütigen Dreistigkeit dieses
Menschentyps et caeterra erzählen weil Sie dies alles auch „im
eigenen Dorf“ sehen. Nun sind sie, wo sie es nur sein können „ludzmi
biznesu“ und bereit, auch die eigenen Landsleute an Fremde zu
verschachern!
Ewald Stefan Pollok
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