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3_01/2002

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 Lucis Ehemann Paule

Nebst einer großen Mehrheit von anständigen, frommen, rechtsschaffenen Menschen gab es zu Laskowitz in Oberschlesien auch eine Reihe von Mitbürgern, die von Fleiß, Treu und Redlichkeit mindestens genausoviel hielten wie die Ersteren, denen es jedoch beim besten Willen nicht gelang, diese Tugenden auch zu leben, weswegen sie ihrer Anverwandschaft zur Schande, ihren Landsleuten zum Ärgernis und ihrem Dorfe zur Plage gereichten, was sie nicht im geringsten davon befreite, ihren, wenn auch mit bitterem Nachgeschmack behafteten, Ruhm als Taugenichtse und Hallodrios genießen zu müssen, denn anderen hatten sie nicht.

Einer von dieser schwer geprüften Spezies war der erbarmungslosen Lucis Ehemann Paule. In seiner grenzenlosen Maßlosigkeit, ebensolcher Nachläßig-keit wie auch Schludrigkeit und Leichtsinn war er um einiges dem alten Heinze überlegen, über den, als er endlich, indem er starb, die Dorfgemeinschaft von seiner irdischen Existenz befreite, nur ein einziger positiver Satz über seinem Grabe geäußert werden konnte; und zwar, daß er, mit seinen zwei, gottlob nach Amerika ausgewanderten, Söhnen verglichen doch noch fast ein Engel war.

Dieser Paule, dessen einziger erkennbarer Verdienst darin lag, dem Dorfnachwuchs als abschreckendes Beispiel zu dienen, trank eines Abends wieder Mal einen Schluck über das vertertbare Maß hinaus, landete aufgrund dessen unter dem Kneipentisch, wo er seinen Rausch durch tiefen Schlaf nebst lautem Schnarchen zu überwinden suchte.

Seine zwei Zechkumpane, vom selben Menschenschlage wie er, wenn ihm auch an Berüchtigkeit um einiges unterlegen, sannen darüber nach, was denn für einen Streich sie ihrem unerreichten Vorbild spielen könnten.

Und es begab sich, daß ausgerechnet zu dieser Zeit in Laskowitz die Bei-setzung eines ehrbaren Bürgers anstand; die Grube zu diesem Zwecke war auf dem entlegenen Friedhof schon ausgehoben. Unter dem Vorwand, den Ehemann seiner besseren Hälfte, im vorliegenden Falle der erbarmungslosen Luci, zuführen zu müssen, schulterten unsere beiden ulkbegeisterten Zechkumpane den schlaffen Körper Paulens und brachten ihn zum Friedhof. Dort angelangt, ließen sie ihn, dabei nicht gänzlich sanft verfahrend, in die frisch ausgehobene Grube hinunter und, aus dem mitgebrachten Behältnis sich hin und wieder mit einem feurigen Schluck kräftigend, warteten sie auf dessen Erwachen.

Als ihr Alkoholvorrat zur Neige zu gehen drohte und das Morgengrauen sich zweifelsfrei ankündigte, wachte Paule in der Tiefe der Grube auf. Ein kurzes Weilchen hielt er still inne und dann richtete er an die zwei undeutlichen Gestaltenumrisse über dem Grubenrand folgende Frage:

„Wo bin ich denn hier?“
„In der Hölle!“ - antwortete mit Grabesstimme einer der Witzbolde.
„Und wer seid ihr?“- wollte Paule wissen. „ Die Teufel!“-hallte es ihm entgegen.

An dieser Stelle nahm die Unterhaltung eine kurze Pause ein. Dann erscholl Paulens Stimme:

„Hört mal, ihr beiden, ich habe hier noch ein wenig Geld; nimmt es, tut euren Anteil dabei, und holt einige gute Schluck Branntwein!“

Alfred Bartylla - Blanke




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