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3_01/2002

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Auch wir müssen uns alles sagen...

Die deutsche Minderheit auf der Suche nach ihrer Identität

Die Beauftragte des Oppelner Woiwoden für die deutsche Minderheit, Danuta Berlinska, hat in einer Publikation zum Thema "Die deutsche Minderheit auf der Suche nach ihrer Identität" Mnieiszo¶æ niemiecka w poszukiwaniu tozsamosci, Opole, 1999), die heutige mentale Befindlichkeit der Oberschlesier aus ihrer Sicht dargestellt.

Es ist eine Publikation, die zwischen wissenschaftlicher Redlichkeit - es ist Berlinskas Doktorarbeit - und politischer Stellungnahme schwankt. Als gutlesbare Lektüre bietet sich das vierhundertseitige Werk-mit einem wissenschaftlich gewichtigen Text kaum an, doch der Umschlag des Buches zielt, mit einer witzigen Zeichnung von Boleslaw Polnar, auf ein breiteres Leserpublikum.

Die Lektüre aber ruft zur Diskussion auf, um nicht zu sagen - weckt Widerspruch. Allein der Titel. Warum auf der Suche? In dieser Formulierung wird die Identität der deutschen Oberschlesier angezweifelt. Wie aber alle Beteiligten wissen und Danuta Berlinska ebenso, ist das Problem der Oberschlesier heute die zerstörte Identität.

Denn Identität das ist Sprache. das ist kulturelle Identifikation. Beides aber wurde der besagten ethnischen Gruppe in den vergangenen Jahrzehnten eines Unrechtsregimes rigoros verweigert. Berlinska aber erwähnt nebenbei, die Oberschlesier hatten die Sprache verloren, wie es aber zu diesem Sprachverlust gekommen war, wird nicht ausgeführt.

Sprachverlust

Es ist nicht anzunehmen, dass die Beauftragte des Woiwoden nicht wüsste, dass das Deutsche in Oberschlesien nach dem Krieg strafrechtlich verfolgt wurde. Im ikonografischen Teil der Arbeit gibt es übrigens Strafmandate fürs Deutschsprechen auf der Straße. Und dass es ein halbes Jahrhundert weder deutsche Schulen noch Zeitungen für die Deutschen gab.

Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Beauftragte meint, sich vor die Menschenrechtsverletzungen eines vergangenen Regimes stellen zu müssen, denn das Tradieren alter Denkmuster trübt den Blick für die Zukunft. Ähnlich politisch gefärbt wirkt die Darstellung der ethnischen und sprachlichen Gegebenheiten der Region. So wird wechselweise und ziemlich beliebig von zwei oder aber drei Sprachen in der Region gesprochen - dem slawischen Dialekt, der polnischen und der deutschen Sprache, wobei immer wieder der Eindruck evoziert wird, die Autochthonen sprächen letztendlich doch polnisch.

Vor allem aber ist das Verschweigen der siebenhundertjährigen deutschen Geschichte und Kultur in dieser Region nicht hinnehmbar. Es wird zwar erwähnt, die Oberschlesier hätten eine andere Sicht der Geschichte als die Polen, aber ausgeführt wird dieses für die Identität gravierende Problem keineswegs. Letztendlich sind für Berlinska die einheimischen Oberschlesier Polen und die heutige deutsche Minderheit ganz einfach germanisierte Polen. Abgesprengte Polen, die sich in der nächsten Generation wieder zu Polen bekennen. Obwohl eigentlich nicht... Aber warum... Nach Antworten wird gesucht.

Und weil Berlinska nicht zur Kenntnis nimmt, dass Oberschlesien seit dem 13. Jahrhundert von Deutschen besiedelt wurde, wofür es genügend historische Belege gibt, und hier zuvor Slawen gelebt hatten, nicht Polen, demzufolge die heute als Autochtone bezeichnete Bevölkerung als deutsch-slawische Mischgruppe zu betrachten ist, gerät vieles, was an den Untersuchungen gut und aufschlussreich wäre, dann doch in einen Erklärungsverzug.

Deutsche Restbevölkerung

Nicht hinnehmbar aber ist vor allem die Suggestion, bei der heute in Oberschlesien lebenden Bevölkerung handle es sich um eine intakte Gruppe Die. Ereignisse nach 1945 werden zwar durchaus nicht verschwiegen, fast alle Respondenten der soziologischen Erhebung bezeichnen die Fronterlebnisse als die wichtigsten und grausamsten Ereignisse ihres Lebens. Und von Vertreibungen und Aussiedlungen bei der Wiedergabe individueller Geschichten ist immer wieder die Rede. Aber es wird dennoch nicht klar, dass etwa dreiviertel der Bevölkerung nach 1945 das Land verlassen hat und die heutige deutsche Minderheit eine Restbevölkerung darstellt.

Die Grausamkeiten der ersten Nachkriegsjahre haben die Gebliebenen wie auch die Vertriebenen und Aussiedler dauerhaft geprägt, das steht auch für die Autorin fest. Ein Respondent propolnischer Option sagte im Gespräch - das war ein Pogrom, ja, ein Pogrom war das und fährt fort - danach seien auch viele, die zuvor polnische Sympathien hatten, weggefahren.

Die Antworten der Respondenten - das Kernstück der soziologischen Abhandlung- sind lesenswert und oft anrührend. Befragt werden vor allem Dorfbewohner, aus denen die heutige. einheimische Restbevölkerung vorwiegend besteht. In ihnen drück sich vor allem eine schlesische Identifikation aus.

Die meisten Respondenten antworten zuerst - ich bin Schlesier oder Schlesierin, aber ich fühle mich mehr - entweder deutsch oder polnisch. Berlinska fängt mit propolnisch gesinnten Einheimischen an, die sich heute auch oft zur deutschen Minderheit bekennen und folgert logisch, dass die Organisation der deutschen Minderheit ein Auffangbecken für alle sei, die nicht zu den Zugewanderten gehören.

Eingehend und einfühlsam berichtet Berlinska über den Streit über die Gefallenendenkmäler, in dieser Passage zeigt die polnische Autorin aufrichtiges Verständnis und Mitgefühl für die einheimische Bevölkerung. Allerdings mit der abschließenden Betrachtung, dass vor allem die Sensibilität des Mehrheitsvolkes entscheidend sein musste.

Mahnmal der Versöhnung

Zu denken gibt die Bemerkung, dass die Oberschlesier das heutige Denkmal auf dem Annaberg ablehnen. Wie denn das? Da heißt das Dunikowsiki Monument - "den oberschlesischen Aufständischen" - und denen gefällt das nicht? Warum denn? Das wäre ein Thema für ein deutsch-polnisches Versöhnungsforum auf dem Annaberg: Der Bruderkrieg in Oberschlesien und seine Folgen bis heute.

Auch wir sollten uns endlich alles sagen, wie es der verehrenswürdige Vordenker der deutsch-polnischen Aussöhnung - Jan Józef Lipski, forderte. Die Nazis haben ein Mausoleum ausschließlich für die auf deutscher Seite Gefallenen errichtet und mit einem Amphitheater umgeben.

Die sowjetisch gegängelten Polen sprengten das Mausoleum und errichteten ihre Klagemauer. Heute, unter den Vorzeichen der Demokratie, wäre es an der Zeit, endlich ein Mahnmal der Versöhnung zu errichten, ein Monument, das vor allem die Tragik und die Absurdität eines Bruderkrieges, des Kriegs überhaupt, des Hasses, zeigen würde.

Das wäre das richtige Identifikationssymbol für die Oberschlesier und für alle Bewohner der Region, ja, ein wichtiges Symbol für ein vereintes Europa.

Renata Schumann

(erschienen in DOD Nr. 8 vom 23. Februar 2001)




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