Bei den wichtigen Gesprächen über die Ortsbenennungen in Oberschlesien wäre vor allem daran zu denken, dass es darum geht, dem Land
sein historisches Antlitz wiederzugeben.
Dabei muss bedacht werden, dass die ethnische Grundierung der einheimischen Bevölkerung slawisch war - slawisch schlesisch, durchaus
aber nicht polnisch - und dass die deutsche Besiedlung seit dem 13. Jahrh. ihre unauslöschbaren Spuren hinterlassen hat. Wir alle müssen
es lernen, mit den Realitäten zu leben: Dieses Land hat eine siebenhundertjährige deutsche Geschichte und eine fünfzigjährige politisch
verbriefte polnische Gegenwart .
In Oberschlesien hat es - wie in den meisten Grenzgebieten - immer auch zweisprachige Namen gegeben. Es waren also nicht nur die Namen,
wie Oppeln-Opole, Beuthen- Bytom, Kosel-Kozle, die einfache phonetische slawisch- deutsche Entprechungen waren, aber es hielten sich
jahrhundertelang nebeneinander zwei verschiedene Namen wie im Fall Gumpertsdorf- Komprachcice, Frauenfeld-Dziewkowice
Entschieden sollte man sich gegen die Neubenennungen beider totalitärer
Regime wenden. Die absurdesten - Stalinogrod für Kattowitz und Hitlersee für Szczedrzyk haben sich wie von selbst abgeschafft.
Aber könnte es nicht Stausee-Szczedrzyk heißen. Oder könnte man nicht - wie es historisch üblich war - bei dem für Deutsche
unaussprechlichen Szczedrzyk nicht an eine phonetisch deutsche Version denken - Stedrik, hört sich fast identisch an. Meine Assoziation -
der Name Szczecin der slawischen Pommeranen klang als Stettin jahrhundertelang ganz gut in deutschen Ohren.
Schwieriger wird es mit Namen wie der meiner Geburtsstadt Hindenburg, die keine Nazierfindungen sind. Ich sage, ich bin in Hindenburg
geboren und habe meine Matura in Zabrze abgelegt. Also nebeneinander Hindenburg - Zabrze. Ist durchaus nicht zu umständlich in einer Zeit,
in der unzählige Frauen einen Doppelnamen tragen.
Bei Gelegenheit: der Annaberg hieß historisch Helmberg, seiner helmartigen Form wegen und es besteht kein Grund, in deutschsprachigen
Publikationen Chelm-Berg zu schreiben. Das Wort Chelm kommt nachweisbar von Helm. Unzählige Ritter sind im Mittelalter aus Deutschland nach
Schlesien und nach Polen gekommen. Ähnlich wie Bürger und Bauern. Daher auch szlachta - von Geschlecht, ratusz von Rathaus, dach von Dach
und cegla von Ziegel, plug von Pflug.
Wir sollten uns über das flimmernde sprachliche Durcheinander freuen, das der beste Beweis für ein friedliches tolerantes Zusammenleben
verschiedener Menschen in der Vergangenheit ist.
Tolerant und demokratisch über zweisprachige Ortsbennungen zu entscheiden, ist auch als eine Lektion der Europareife zu bewerten, die
unserem Land - Oberschlesien - so dringend zu wünschen wäre.