Es ist nicht leicht über jemanden Memoiren zu schreiben, der einem Freund war und blieb. Es ist auch zu befürchten, dass Erinnerungen
an den Freund, dem ich über zehn Jahre im bischöflichen Amt zur Seite stand, zu einem Loblied ausarten. Doch denke ich, dass es hier nicht
der Fall sein wird, denn diese Erinnerungen werden Menschen beurteilen, denen Bischof Alfons nicht nur von seinem Wirken in der Oppelner Diözese,
sondern auch von seiner Tätigkeit weit über die Grenzen seines Heimatlandes bekannt ist. Sein vierzigjähriges Priesterjubiläum und seine
zwanzigjährige Verwaltung des Bischofsamtes in der Lokal- und Gesamtkirche, geben Anlass an Geschehnisse zu erinnern, die ich als
Amtsbruder und Mitarbeiter aus nächster Nähe miterlebte.
Im Priesterseminar in Neisse, in dem wir viele Jahre gemeinsam verbrachten, schaute ich auf meinen um ein Jahr höher stehenden
Studienkollegen voll Bewunderung. Außerordentlich begabt, vertiefte er sich in die philosophischen und theologischen Wissenschaften, die er
weitgehend zu ergründen suchte. Seine Kenntnisse und durchdachten Probleme teilte er seinen jüngeren Kollegen auf verständliche und
begreifliche Weise mit. Ähnlich den Seminarübungen, erklärte er schwierige Fragen einfacher und kommunikativer als manchmal die
Professoren, besonders in Metaphysik und Erkenntnistheorie. Seine selbstlose und uneigennützige Haltung, anderen das Wissen mitzuteilen,
brachten ihm Anerkennung bei den Alumnen. Deshalb ist es mir bis heute unverständlich, wie unsere Vorgesetzten einem solchem Theoretiker
auch einmal wirtschaftliche Funktionen übertragen konnten, die mit der Organisierung von Arbeiten, auch körperlichen, in und außerhalb
des Seminars verbunden waren. Vielleicht war dies ein Fingerzeig für die Zukunft? Unser Verbleib im Priesterseminar fiel in die fünfziger
Jahre, die zu der schwierigsten Kapiteln der neuesten Kirchengeschichte Schlesiens zählen. Die Infiltration politischer Faktoren ins
Priesterseminar, das Werben unter den Klerikern und auch Professoren zur Spionage in den politischen Auseinandersetzungen, machten manchen
Studenten mürbe. Angriffe auf das Schlesiertum und dieses Gebiet, verursachten ein Zusammenscharen um einen, der sie stärkte und zur
Ausdauer ermunterte. Zu ihnen gehörte auch Bischof Alfons. Aus ihm emanierte ein Wille, auf dieser schlesischen Erde auszuharren, diese
Erde zu lieben und ihre Bevölkerung kennen und verstehen zu lernen.
Die Universitätsjahre auf der Katholischen Universität in Lublin brachten uns noch näher zusammen. Er freute sich darüber, dass
der nun schon verstorbene Bischof Franciszek Jop soviel junge Priester zu Spezialstudien auswählte. Wir bildeten eine enge Gruppe, welcher
Bischof Alfons vorstand. Zudem hatten wir beide außer dem Studium noch eine andere Aufgabe. Wie waren Eleven eines Knabenkonviktes, dem in
der Zeit der fünfziger Jahre, die staatliche Abnahme der Reifeprüfung untersagt war. Um an der Katholischen Universität in Lublin
studieren zu können, mussten wir ein staatliches Abitur haben. Wir bereiteten uns daher zur Staatsmatura vor, natürlich inkognito, denn
als Priester durften wir uns nicht zu erkennen geben.
Das Priesterseminar in Neisse.
Nach dem Abschluss des Universitätsstudiums in Lublin verbanden uns weitere didaktische Aufgaben im Priesterseminar, das wir vor Jahren
absolvierten. Bischof Alfons hielt Vorlesungen im Priesterseminar und an der Universität in Lublin. Ich dagegen half noch zusätzlich in
einer Oppelner Pfarrgemeinde aus, deren Pfarrer der Oppelner Weihbischof Heinrich Grzondziel war. Außerdem arbeitete ich im Offizialat in
Oppeln, und in den Jahren 1969-1981, also bis zu meiner Ernennung zum Weihbischof, als Pfarrer in der Dreifaltigkeitsgemeinde Bodland (Bogacica)
bei Kreuzburg (Kluczbork).
Der Oppelner Bischof.
1977 wurde Alfons Nossol vom Heiligen Vater, Papst Paul VI. zum Bischof ernannt. Für Schlesien, ein außergewöhnliches Ereignis. Der
erste Oppelner Bischof kam von Krakau. Der zweite Bischof wurde ein aus Schlesien stammender Priester. Die Freude der Geistlichkeit und der
Gläubigen war groß. Als ich ihm gratulierte, erzitterte ich bei seinen Worten, die ich hier sinngemäß wiedergeben möchte: ”da ich
mich nicht mehr herausreden konnte und die Ernennung annehmen musste, wirst Du jetzt bereit sein müssen, neben Deinen bisherigen Aufgaben
auch auf Diözesanebene mein Mitarbeiter zu werden”.
Ich weiß, wie schwer es ihm fiel, das Bischofsamt anzunehmen. ”Was wird aus meiner wissenschaftlichen Tätigkeit, was aus meinen
Aufgaben an der Katholischen Universität in Lublin” solche Fragen stellte er sich. Er liebte seine wissenschaftlichen Forschungen
genau so sehr, wie sein Priestertum. Er deutete an, dass er durch die Universitätsaufgaben etwas von der unmittelbaren Seelsorgetätigkeit
abgekommen sei. Er wusste, dass seine Verbindung mit der Seelsorgearbeit während der Ferien und Feiertage zu gering war, um sich als
Seelsorger auszugeben. Die Argumente, die Kardinal Wyszynski vorbrachte, um ihn zur Annahme des Hirtenamtes in der Oppelner Diözese zu überzeugen,
waren gewiss schwerwiegend. Der Kardinal machte ihm deutlich:
”Das Oppelner Land, die Bevölkerung dieser Erde, brauchen Dich Junge!” Ob ihn das überzeugte? Als er sich nach der
Bischofsweihe in der Kathedrale zum Heiligen Kreuz an seine Mitarbeiter und Priester wandte, unterstrich er: ”In der Kathedrale zum
Heiligen Kreuz hat man mir das Bischofskreuz auferlegt. Selbst werde ich das Kreuz nicht ertragen können, ich brauche Mitarbeiter ‘Cyreneer‘.
Mit Eurer Hilfe werde ich das Kreuz sicherer tragen und den Menschen dienen”.
Mitarbeiter.
Als er das Hirtenamt übernahm, war er sich dessen bewusst, dass er auch die Ordinariatsverwaltung auf sich nimmt, eine Arbeit, die für
ihn neu und eigentlich auch unbekannt war. In den ersten Jahren nahm er keine Personalveränderungen vor. Die Generalvikare blieben weiter
wie bisher, ebenso die Weihbischöfe: Wenzel Wycisk und Antoni Adamiuk. Als er die umfangreiche Kanzleiarbeit sah, ernannte er Andrzej
Hanich zu seinem Sekretär. Anfangs nahm er keine größeren Umänderungen vor. Er ging davon aus, dass der erste Oppelner Ordinarius,
Franciszek Jop, ein gediegener und geschätzter Rechtsgelehrter, schon gute Anweisungen seinen Ordinariatsbediensteten, mit dem Kanz1er
Aloizy Sitek obenan, erteilt hat. Jedoch vermehrte sich der Aufgabenkreis des Bischofs Alfons in den Episkopatskonferenzen und auch in den
Kommissionen des Heiligen Stuhls. Im Jahre 1980 beging das Sanktuarium der Heiligen Anna ihr 500jähriges Bestehen. Die polnische
Bischofskonferenz, unter Anführung des Primas und Kardinals Wyszynski, gab den Feierlichkeiten gebührenden Glanz, der durch die
traditionelle Männerwallfahrt noch erhöht wurde. Als der Primas, der die Ansprache hielt, die vieltausenden betenden Männer sah, gab er
die Zusicherung, dem Bischof und den Gläubigen dieser Diözese, ihnen durch die Ernennung eines zusätzlichen Weihbischofs zu Hilfe zu
kommen. Ein Jahr darauf, wieder zur Männerwallfahrt, wurde meine Nomination als Weihbischof der Diözese Oppeln verkündet. Merkwürdig war
auch der Beschluss des Bischofs Alfons, in Bezug auf den Ort, an dem mir die Bischofsweihe erteilt werden sollte. Der
Franziskanerprovinzial, Pater Dominik, schlug vor, die Konsekration auf dem Annaberg vorzunehmen. Bischof Alfons kleidete den Gedanken in
folgende Worte: ”Auf dem Annaberg versprach der Primas einen Weihbischof zu geben, auf dem Annaberg wurde die Ernennung bekanntgegeben,
auf dem Annaberg soll auch, am Ende der größten Wallfahrt des Schlesischen Volkes, die Bischofskonsekration stattfinden” (am 16.
August 1981). So wurde ich für viele Jahre engster Mitarbeiter des Bischofs Nossol, im Hirtenamt der Diözese Oppeln.
Die Form der Mitarbeit, vor allem im Bereich der Ordinariatsstruktur, begann, abweichend vom bisher Üblichen zu verlaufen. Als einer
der engsten Mitarbeiter bemerkte ich die Abänderung der Verhaltensweise im Ordinariat selbst. (Ab 1962 war ich oft im Ordinariat und kam
durch die Tätigkeit im Offizialat auch mit den Bischöfen zusammen). Bischof Alfons hatte seine eigene Wesensart. Sie war einfach, ohne
zeremonieller Prägung. Schlicht und ungekünstelt. Die Anrede "Exzellenz” verlor sich langsam und so blieb das verständliche
und leicht auszusprechende Wort "Bischof‘. Ebenso kamen außer Gebrauch die pompösen Höflichkeitsformen und Bitten um Audienz.
Der neue Bischof war zugänglicher und erschien in einfacher Kleidung. Im Gedächtnis blieb mir folgende Begebenheit: Bischof Alfons stand
gerade in der Nähe der Pforte und öffnete die Tür einer angesagten ausländischen Gästegruppe. Die Begegnung sollte in einem größerem
Saal stattfinden. Er führte die Besucher auch dort hin und begann sie zu begrüßen. Der Leiter erkannte den Bischof nicht, unterbrach die
Begrüßung und gab gestikulierend zu verstehen, dass sie mit dem Bischof sprechen möchten, der ein Brustkreuz trägt, ein rotes Käppchen
und eine rote Talarbinde. Bischof Alfons verstand, ging hinaus, und bekleidete sich mit dessen Insignien und führte den Empfang weiter. Dem
Dienst im Ordinariat wurde die Gespanntheit und Etikette genommen und durch eine Atmosphäre der Herzlichkeit und Häuslichkeit ersetzt.
Die Leitung einer Diözese fordert rechtes Handeln und die Zusammenarbeit verschiedener Behörden. Als die Diözese formell ins Leben
gerufen wurde, bemühte sich ihr erster Bischof um die Gründung eines Domkapitels. Seit der Errichtung der Apostolischen Administratur in
Oppeln im Jahre 1945, bildeten das Beratungsgremium des Ordinarius, die Diözesankonsultoren. Im neuen Kodex des Kirchenrechts erscheint das
Kollegium der Konsultoren, dem gewisse Befugnisse hinsichtlich der Beratung des Bischofs bei Entscheidungen in schwerwiegenden Anliegen
zugestanden werden. Die Konsultoren erfüllten ihre Aufgaben ganz gut, obwohl die Zeiten damals für die Oppelner Kirche sehr schwierig
waren. Nach Besprechungen mit dem Priesterrat und mit dem Kollegium der Dekane, fasste Bischof Alfons den Beschluss, dass das nach
kanonischen Normen und Statuten rechtmäßig gewählte Konsultorenkollegium das Beratungsgremium bleiben soll. Damit blieb die Oppelner Diözese,
damals die einzige Polens, ohne Domkapitel.
Dem CIC gemäß, begann der Priesterrat seine Tätigkeit, wie auch der Diözesanseelsorgerat. Für diese Beratungsgremien wurden eigens
Verordnungen und Statuten bearbeitet. In der Sorge um ein besseres Kennenlernen und Betreuen der Herde Christi in der Diözese, kam Bischof
Alfons der Gedanke, die Diözese in Seelsorgegebiete (Regionen) aufzuteilen. Nach langen Beratungen, Besprechungen, Erörterungen, Debatten
und Diskussionen, mit dem Priesterrat, dem Konsultorengremium und dem Kollegium der Dekane, sowie nach Konsultationen mit hervorragenden
Seelsorgern, erließ Bischof Alfons das Dekret aufgrund dessen die Diözese in fünf Seelsorgegebiete (Regionen) aufgeteilt wurde. Jedem
Weihbischof wurde ein Gebiet zugeteilt: das Oppelner Gebiet übernahm Bischof Alfons. Mir wurde das Gebiet Gleiwitz anvertraut, das die
Umgebung und Städte Gleiwitz (Gliwice), Hindenburg (Zabrze), Beuthen (Bytom), Peiskretscham (Pyskowice) und Tost (Toszek) umfasste. Nie kam
mir damals der Gedanke, dass ich nach einem Jahrzehnt weihbischöflicher Amtstätigkeit, Ordinarius einer neugegründeten Diözese Gleiwitz
werde, die grundsätzlich aus dieser Region errichtet wurde, aber zusätzlich die schöne Tarnowitzer und Lublinitzer Gegend bekam, die
ehedem zur Diözese Kattowitz gehörten.
Aus dem Bestreben zur Zusammenarbeit mit den Laien und deren Erziehung zur Mitverantwortung für die Lokalkirche und Pfarrgemeinde,
wurden Statuten für Kirchen- und Seelsorgsräte ausgearbeitet, sowie Arbeitspläne für die einzelnen Sektionen dieser Gruppen. Außerdem
wurden Grundsätze zur Errichtung und Einberufung dieser Gremien festgelegt. Die Diözese Oppeln gehörte zu den ersten, in denen Kirchen-
und Seelsorgsräte entstanden.
Das Bauwesen und Bauten kirchlicher, insbesondere sakra1er Objekte, war zur Zeit der Kommunistenherrschaft praktisch eingestellt. Die
Staatsbehörden gaben keine Bauerlaubnis für Kirchen oder Bauten für Diözesanzwecke. Erst nachdem die kommunistischen Behörden in den
achtziger Jahren ins Wanken gerieten und Überlebungschancen suchten, räumten sie der Kirche größere Freiheiten ein. An erster Stelle
ging es um Aufträge für Kirchen- und Sakralbauten. Als ich die Ernennung zum Generalvikar bekam, wurde mir das Bau- und Finanzwesen, sowie
die ökonomischen Angelegenheiten, anvertraut. Es mussten auf diesem Gebiet 35jährige Versäumnisse aufgearbeitet werden, da in dieser Zeit
in vielen Städten große Wohnviertel entstanden, die aber ohne Kirchen blieben. Es wurde mit dem Bau von über fünfzig Kirchen und noch
viel mehr kirchlichen Gebäuden, besonders zur Erteilung des Religionsunterrichts, begonnen. ~Die Situation und die Begeisterung muss ausgenützt
werden”, sagte Bischof Alfons oft. Nicht selten erschien er selbst auf dem Bauplatz, um den Priestern und Gläubigen seine Anerkennung
auszusprechen.
In dieser Zeit wurde auf Entschluss des Bischofs Alfons, in der Nähe des Ordinariats, mit dem Bau eines Gebäudekomplexes begonnen, zu
dem ein Pastoralinstitut, ein Museum, ein Archiv und ein Priester-Emeritenhaus gehörten. Das war damals etwas Neues und Ungewöhnliches und
fand nicht gleich Anklang, besonderes bei der Geistlichkeit. Es trat die Befürchtung ein, dass die vielen Investitionen die Finanzmittel
der Diözese überlasten. Mit eisernem Willen und Überzeugungskraft bei der Überwindung von Schwierigkeiten und der Suche nach Finanzen,
gelang es dem Bischof dennoch dieses große Vorhaben zu verwirklichen. Für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Kühnheit, die Bischof
Alfons an den Tag legte. Beim Bau dieser Objekte halfen, auf Entscheid des Bischofs, auch die Kleriker des Priesterseminars in den Ferien
mit. ”Diese Beschäftigung, die körperlichen Anstrengungen, werden ihnen helfen, physische Arbeit zu verstehen und zu schätzen.”
- kommentierte der Bischof seinen Entschluss. Von pastoraler Bedeutung war auch die Bitte, die der Bischof durch die Seelsorger an die Gläubigen
richtete, gruppenweise beim Aufbau dieser Objekte mitzuhelfen. Die Pfarrer organisierten die entsprechenden Gruppen, die zum Bauplatz kamen
und ihre Zeit und körperliche Arbeit zum Aufbau anboten, bis zu 12 Stunden täglich. Stolz klangen die Worte dieser freiwilligen Helfer:
"Wir bauen ein Pastoralinstitut und ein Priester-Meritenhaus für unsere Seelsorger”. Ein weiteres großes Vorhaben war in den
90er Jahren die Übernahme der Schlossruine in Groß-Stein, dem Geburtsort des heiligen Hyazinth, sowie des seligen Czeslaus und der seligen
Bronislawa. Heute ist das Schloss eine ”Perle” in der Oppelner Diözese. Es dient der Theologischen Fakultät der Oppelner
Universität, als Kulturzentrum und Begegnungsort von internationaler Dimension und ist zugleich das Heiligtum des heiligen Hyazinth, eines
großen Europäers im Mittelalter.
Ein Wort der Anerkennung gebührt den Priestern, die im Auftrag des Bischofs Alfons diese Bauten führten, besonders den Herren Dr. Josef
Mikolajec und Dr. Albert Glaeser, die sich nicht scheuten, ihre Kräfte und ihre Gesundheit für dieses große Werk einzusetzen. Alle diese
Unternehmen sollten Bedingungen schaffen für die Bildung und Erziehung vieler Menschen.
Die Ausbildung der Priesterkandidaten, die »educatio permanens” der jungen Priestergeneration, den Laien den Weg zu den
humanistischen, philosophischen und theologischen Wissenschaften zu ebnen, ihnen die Gelegenheit zu deren Vertiefung zu geben" - diese
Bestrebungen gehören zu den besonderen Plänen seines Wirkens als Professor und Bischof
Seit Übernahme der Diözese war das Priesterseminar sein Herzenskind. Seine Sorge galt dem Bildungsniveau dieser Lehranstalt, sowie der
Vorbereitung und Ausbildung des Professoren- und Pädagogenkaders. Seinen Mitarbeitern eröffnete er manchmal, wie sehr es ihm daran liege,
eine Universität mit einer theologischen Fakultät in Oppeln ins Leben zu rufen. Ein Weg zum Ziel führte über das ralinstitut der Diözese,
das bald eine Filiale der Katholischen Universität Lublin wurde. Heute können. wir sagen, dass Bischof Alfons an der Entstehung sowohl der
Universität, wie auch der theologischen Fakultät in Oppeln, große Verdienste hat.
Ein weiterer seiner Verdienste ist auch, dass er viele begabte Priester zum Spezialstudium an die Katholische Universität nach Lublin
und andere europäische Universitäten schickte. Es war sein Wunsch, dass jeder Priester ein Universitätsmensch, ein offener,
weitblickender Mensch werde, der immer bereit ist, die Wissenschaft der großen Welt in sich aufzunehmen. Dem sollte auch das dynamisierte
Fremdsprachenstudium dienen. Mutig führte er, unter anderem auch das Lektorat der deutschen Sprache ein. Man darf hierbei nicht außer Acht
lassen, dass in damaliger Zeit, im Oppelner Schlesien, ein deutsches Lektorat zu führen, untersagt war. In der wissenschaftlichen Welt zählt
die Kenntnis mehrerer Sprachen. Heute verfügt die Theologische Fakultät über einen zahlreichen Stab von Professoren und selbständigen
Wissenschaftlern. Seinem Weitblick ist es zu verdanken, dass jetzt an der Theologischen Fakultät einige hundert Menschen studieren. Diese
Akzeptanz kann man auch so auffassen: damit will ihm das schlesische Volk seine Anerkennung dafür außprechen, was er ihm gegeben hat. In
seinem Auftreten verteidigte er immer das Recht und die Anliegen der Menschen des schlesischen Landes, was nicht immer in Warschau Verständnis
fand. Wie viel Leid wurde ihm dadurch zugefügt. Nach einem halben Jahrhundert politischer Verbote hatte er, aus pastoralen Gründen, den
Menschen dieses Landes ermöglicht, den Gottesdienst in der Sprache des Herzens zu feiern - in Deutsch.
Den Menschen, der Hilfe braucht wahrnehmen.
Der Beginn meiner näheren Mitarbeit bei Bischof Alfons, fiel in die Zeit der politischen Erschütterung des Staates, der Menschen
verfolgte, die anders dachten und das kommunistische Regime nicht akzeptierten. Die Ausrufung des Kriegszustandes am 13. Dezember 1981
brachte dem Seelenhirten der Oppelner Diözese viel Kummer. Fast jeden Tag mussten Entscheide getroffen werden, um Hilfsbedürftigen zu
helfen. Die Sorge um den Menschen und die Rechtswahrung, nahmen Bischof Alfons voll und ganz in Anspruch. Im öffentlichen Auftreten und bei
Kabinettsunterredungen mit Staatsvertretern, setzte er sich für die Gefangenen und Internierten ein, um sie zu verteidigen und zu befreien.
Mit großem Wagnis traf er schwierige und oft riskante Entscheidungen. Es ging ihm um den Menschen. Priestern gab er besondere Befugnisse
und beauftragte sie, zu den Internierten vorzudringen. Ein besonders Aktiver in dieser Hinsicht war in der Gleiwitzer Region der Prälat
Paul Pyrchala, der die ganze karitative Hilfe für die Internierten, Festgenommen und ihre Familien leitete. Bischof Alfons suchte nach
Provianthilfe auch im Ausland, vor allem in Deutschland bei den Caritasorganisationen. So begann der Aufbau einer Caritasstruktur in der
Oppelner Diözese, mit ihrem Direktor, dem Prälaten Paul Porada. Bischof Alfons startete eine Hilfsaktion für Hospitäler, indem er
verschiedene und spezielle Apparaturen besorgte. Er ist auch der Initiator des Aufbaues von Sozialstationen in den einzelnen Dekanaten. Mit
der Errichtung der Sozialstationen beauftragte er den Geistlichen Rat Wolfgang Globisch. Hierbei erhielt er Hilfe von der Deutschen
Regierung im Hinblick auf die deutsche Minderheit, die sich auf dem Gebiet der Oppelner Diözese befindet. Er nahm die Hilfe aber nur unter
der Bedingung an, dass sie allen Bewohnern zugute kommt, nicht nur den Deutschen. Die polnische Presse nützte das trotzdem aus, um Bischof
Alfons als einen Germanisator Schlesiens darzustellen. Mit den Verleumdern diskutierte er nicht, denn seiner Meinung nach wäre es nur ein
Zeitverlust und eine Kraftvergeudung, die man doch lieber den Menschen guten Willens widmen sollte.
Die Liebe zum Schlesierland, der Kirche und den Einwohnern dynamisierten den Dienst am Volk dieses großen Menschen der Wissenschaft
und zugleich Hirten und Bischofs. Schlesiens Gläubige haben seit über fünfhundert Jahren ihr Heiligtum auf dem St. Annaberg, auf dem die
heilige Mütter Anna Selbdrit verehrt wird. Unsagbar war der Einsatz des Bischofs, damit der Heilige Vater Johannes Paul II. auf dem
”Berg des vertrauenden Gebets und der Versöhnung” eintreffe. Bischof Alfons konnte sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass
der Papst 1983 auf dem Weg von Breslau nach Krakau den Annaberg nicht betreten sollte. Vielleicht ist das Wort nicht entsprechend, wenn wir
sagen: er ”kämpfte” darum. Persönliche Rücksprachen mit dem Heiligen Vater brachten das Ergebnis, dass der Stellvertreter
Christi, am 21.Juni 1983, unter einer betenden und singenden Menschenmenge auf dem Annaberg weilte. Beim Abflug skandierte das Volk:
”Wir danken”. Im Dank an den Heiligen Vater war auch der Dank an unseren Bischof Alfons enthalten. Seine Liebe zur Kirche, sein
authentischer Katholizismus, sowie seine wissenschaftliche Aufrichtigkeit gaben den Anlas, dass Bischof Alfons in mehreren Päpstlichen
Kommissionen vertreten ist. Er ist Mitglied des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Er ist Mitglied der gemischten Kommission
für den theologischen Dialog mit den Orthodoxen und Lutheranern. Er ist Ehrendoktor der Universitäten Münster, Mainz und Oppeln. Er ist
eine bedeutende Persönlichkeit im polnischen Episkopat, davon zeugt, dass er in den Ständigen Rat der Polnischen Bischofskonferenz gewählt
wurde.
Heute danke ich Gott, dass ich viele Jahre sein naher Mitarbeiter im bischöflichen Dienst der Diözese Oppeln sein durfte. Viel habe ich
von ihm gelernt. Ich bewunderte seinen Scharfblick in seinen Beurteilungen und die weite Perspektive in seinen Entscheidungen. Die
Zusammenarbeit mit Bischof Alfons geht weiter. Einen Freund verliert man nicht. Viele Anliegen organisieren wir gemeinsam. Bischof Alfons
spricht oft: "Die Diözesen Oppeln und Gleiwitz sind Schwestern."