KONTAKT: post@SilesiaSuperior.com

 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 7 / 05.2003

Silesia Superior 7 / 04.2003

Peter Karl Sczepanek

Die Probleme Schlesiens von gestern, heute und morgen

Irgendwann, irgendwo, und jetzt, vielleicht auch morgen...

Am Ende XIX Jh. war der Urgroßvater Josef S. den Inhaber des einzigen Kolonialwarenladens im Dorf Tichau. Er verstand es auf hervorragende Weise mit einem breiten Messer, auf Wunsch der Kunden eine Schinkenwurst in dünne Scheiben zu zerlegen. Da er während dieser Tätigkeit die Worte „ciach, ciach“ vor sich hinmurmelte, wurde ihm von den Einwohnern Tichaus der Spitzname „Ciacher“ beigelegt. Er hatte zwei Söhne, Karl und Josef. Als der letztere in den Ehestand trat, bekam er auch zwei Söhne, Johann und Josef. Im Jahre1982 verkauften die beiden Onkel ein kleines Gelände, am Tichauer Bach gelegen, an die Brauerei in Tichau, wobei sie angaben, Erben des „Ciachers“ zu sein und somit Eigentümer dieses Stückchens Erde. Dieses Gelände hatte um jene Zeit den Wert eines kleinen Personenkraftwagens „Fiat-650“. In diesen sozialistischen Zeiten wurde oft mündlich erledigt. Oft mal wurden falsche Urteile bzw. Entscheidungen getroffen. Wobei es nicht mir um das Geld ging, als viel mehr, den Beweis zu erbringen, wer zur Familie dieses legendären „Ciachers“ gehörte. So wurde es die Karls Familie ausgelassen. So wurden durch falsche mündliche Aussage der Onkel, die Familie von Karl übergangen.

Hat dieses kleine und unscheinbare Ereignis mit Schlesien zu tun? In gewisser Weise wohl, denn nach den neuesten Hinweisen der Geschichtsforscher Schlesiens lässt sich diese Provinz ihr Dasein und die Geschichte auf Grund vieler solcher kleinen Begebenheiten feststellen und nachweisen.

Professor Idzi Panic, Direktor des Institutes für Geschichte der Schlesischen Universität in Kattowitz hebt in seinem Interview in einer Kattowitzer Zeitung hervor, dass im XII und XIII Jahrhundert die Goleschanen, die den Süden Schlesiens bewohnten, sich mit den Opolanern vermischten. So einfach in der polnischen Weise hat das der polnische Professor schlau interpretierte. Auf diese Weise entstand das Fürstentum von Ratibor-Oppeln, mit dem Piasten Miesko, genannt Wickelbein an der Spitze.

Hier muss man erwähnen, dass sein Onkel, Casimir der Gerechte, gutmütig wie er war, dem neuentstandenen Fürstentum, in welchem ungefähr 20 000 Menschen lebten, noch die Beuthener Erde mit Siewierz, und Auschwitz mit Zator hinzufügte. Hier sei vermerkt, dass der Miesko mit seinem Bruder Boleslaus, Fürst von Breslau und Liegnitz im Jahre 1163 den Süden Schlesiens bis an die Beskiden später als Oberschlesien bezeichnete, und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Die drei letzte Städte wurden nach 200 Jahren von Schlesien nach Polen zurückgegliedert.

Vater dieser beiden Piastenbrüder war Wladislaus II., der Vertriebene, der nach Brandenburg von Casimir den Gerechten und anderen Onkel (Boleslaw Kedzierzawy, Mieszko III. Stary, und Henryk Sandomierski) verbannt wurde, und dort noch 20. Jahre lang lebte – worüber Herr Professor den Lesern das nicht deutlicht gesagt hat.

Die lieben Onkel!

Nun möchte ich zu meinem Onkel Johann zurückkehren, der das Erbe seines Großvaters an das Tichauer Brauhaus verkauft hatte. Wie es aus einem an mich gerichtetem Brief hervorgeht, hatte Onkel Johann die Absicht, für das erworbene Geld die Gräber unserer Vorfahren in Tichau zu renovieren und in einem vorbildlichen Zustand zu erhalten. Ich gab mich damit zufrieden und stimmte zu.

Dieses Versprechen aber hat mein Onkel nicht eingehalten. Als ich im vergangenem Jahr den Maria-Magdalena Friedhof in Tichau aufsuchte und am Grabe meines Urgroßvaters, eben den „Ciachars“ stand, sah ich zwar einen frischen Blumenstrauß, doch es war schon nicht mehr das Grab meiner Vorfahren. Ein neuer Grabstein mit einem polnischen Namen, der auf ostpolnische Abstammung schließen ließ, stand an dieser Stelle. Solche Entscheidung hat ohne uns, einen jungen Mann, mein Verwandter, getroffen, dessen spätere Schwiegervater nun in der Gruft der Familie S. schon liegt. Unerfahrener, aber auch von der Tradition Schlesiens entfernt, handelte der junge Mann anders als damals. Heute in den Westen ist überhaupt unmöglich, ein Familiengrab fremden abzugeben, wenn die Familie noch lebt. War seine zukünftige Schwiegermutter aus dem s.g. „kleinem Vaterland“ so schlau, oder der zukünftige Schwiegersohn von der Familie „Ciachas“, aus Schlesien so dumm?

„Schauen wir in die heimatliche Vergangenheit, aus der wir in die Zukunft sehen können:

Wer seine Herkunft vergisst,
hat seine Zukunft verspielt“

Das sind Worte von Joachim Kardinal Meisner, 1933 in Breslau geboren, heute Erzbischof von Köln“. – (aus „Oberschlesien - anders“).

In ganz Europa gibt es wohl kein größeres Völkergemisch, wie es zur Zeit in Schlesien der Fall ist. Erdausgrabungen haben ergeben, dass schon vor der Geburt Christi die Kelten auf schlesischer Erde daheim waren. Jene aber wurden um die Zeitwende von germanischen

Stämmen, den Goten verdrängt. Während der großen Völkerwanderung im V. Jahrhundert verließen die Germanen dieses ungastliche, nur aus Wäldern und Sümpfen bestehenden Land, sie zogen nach Westen und nach Süden.

Ungefähr 200 Jahre später besetzten die ersten Slawen, aus dem Osten kommend, dieses Land, welches schon von den alten Römern als „Silesia“ bezeichnet wurde. Mit Feuer und Schwert eroberten sie dieses Land und warfen jeglichen Widerstand von Seiten der einheimischen schon gemischten Bevölkerung, blutig nieder. Im Laufe der späteren Jahre vermischten sie sich mit den Einheimischen, denn Liebe kennt keine Grenzen.

Zur Zeit Karls des Großen, also im VIII und IX Jahrhundert siedelten sich in Schlesien, aus dem Westen kommend, die ersten Czechen an und verbreiteten römisch-westliche Kultur in diesem Land. Ihr Einfluss machte sich im Bauwesen, Bodenanbau, Gesellschaftswesen und Landesverwaltung sehr stark bemerkbar. Kein Wunder, dass die Czechen in späteren Jahrhunderten immer großen Anspruch, vor allen Dingen auf Oberschlesien, erhoben.

Der erste polnische Fürst Misko I., der „irgendwann und irgendwo“ geboren war, eroberte in der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts (990) Schlesien. Er behauptete immer, dass Schlesien die reichste Provinz seines Landes sei. Sein Sohn und Nachfolger, Boleslaus I. genannt „Chrobry“ interessierte sich mehr für den Osten, weil er dort weniger auf Widerstand traf.

So viele „guten“ und „schlechten“ Onkel gab es in der Geschichte Schlesiens. Sie kamen von verschiedenen Richtungen und breitete sich auch in verschiedenen Richtungen aus. Die Onkel führten Schlesien gut oder schlecht, im Chaos oder Harmonie.

Die sozialistischen Machthaber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfälschten die Geschichte Schlesiens auf eine noch nie da gewesene Art und Weise. Sie trachteten danach, alle Ereignisse und Begebenheiten ihrer Ideologie anzupassen und verschwiegen gänzlich deutschen und tschechischen Einfluss in der 1000-jährigen Geschichte Schlesiens. So läuft es auch oft bis heute. In dieser Weise vermischten sich immer die Einwohner Schlesiens mit anderen.

Hier muss nun auch hervorgehoben werden, dass während der großen Überschwemmung im Sommer 1997 in Breslau, bei der Oder Überschwemmung, große Bestandteile historischer Dokumente und Akten, welche in den Kellerräumen aufbewahrt wurden, für immer vernichtet wurden. Die polnischen Behörden sahen diesem Ereignis rat- und tatenlos zu und unternahmen so gut wie nichts, jenes wertvolle Gut zu retten. Der polnische Staat, der heute immer auf der Geldsuche ist, hätte diese geschichtliche Akten und Dokumente an den Amerikanern verkaufen können und dafür viel Geld erhalten. So aber wurde nichts getan, und wertvolle historisches Gut ging auf diese Weise für immer verloren.

Dass die heute in Europa herrschende Literaturwissenschaft und Schreibweise ihre Wurzeln in römischen Kulturraum hat, steht außer Zweifel. In einem vereinten Europa wird jedes Volk sein eigenes Wesen, seine Spreche, Kultur und Überlieferungen bewahren zum Wohl der ganzen europäischen Völkergemeinschaft. Daher besteht heute die Notwendigkeit, dass Gelehrte aus allen europäischen Ländern an einem gemeinsamen Tisch die Grundlagen und Bedingungen einer derartigen Völkerstruktur feststellen und ins Leben rufen werden.

Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man nur in Betracht zieht, dass alle Forderungen, verschiedene Kultureigenschaften, Überlieferungen, Voraussetzungen, oft gegenseitige Feindschaften und materielles Niveau aller europäischen Völker berücksichtigt werden müssen.

Ich freue mich auf ein vereintes Europa im Jahre 2004, wo auch Polen seinen, ihm gebührenden Platz einnehmen wird.

In dieser Hinsicht spielt das von mir herausgegebenes Buch unter dem Titel „Oberschlesischen anders“ in welchem sich unter anderen 120 Aquarelle des berühmten oberschlesischen

Kunstmalers Alfons Wieczorek befinden, eine gewisse Rolle. Dort kann man es auch lesen:

„Am 30 Mai 1945, also schon nach Kriegsende wurde eine junge Tichauerin, die zwei Sprachen gut beherrschte, ohne jeden Grund rücksichtslos erschossen. Ihre Mutter, W.S. wurde total ruiniert und an den Rand der Verzweiflung gebracht. Täter dieses grausamen Mordes war ein Knecht des neuen kommunistischen Regimes, der sich als Machthaber fühlte und seine Pistole gegen wehrlose, unschuldige Frau „im Namen des Friedens“ gerichtet hat – in einem schon freien Land.“

So wie die Namen des Vorfahren – die „Ciachas“ verschwunden sind, so es passierte vor einem Jahr ähnlich. Der Name meiner Patentante Edeltraud F. ist mit dem Datum 31.5.1945 ähnlich verschwunden. Die Beweiße des Unrechts sind langsam überall ausgerottet. So machen die „kleinen“ und „großen“ Onkel, alles gegen die schlesischen Identität.

Und so mahnte uns Joseph von Eichendorff in seinem Gedicht:

Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft´ge Welt:
Schlagt noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt.

J. von Eichendorff

Na zewn±trz zawsze oszukany
obraca siê kupiecki ¶wiat.
Rozwiñ bezpieczny raz jeszcze ³uk piêkny
Wokó³ mnie, namiocie lesisty.

t³um:P.K.Sczepanek

So vermischten sich immer die Einwohner Schlesiens mit anderen, oft nicht unseren zu Gunsten. So verlieren wir immer unsere Identität, heute besonders, wenn das Leben uns mit vielen „Überraschungen“ trifft. Wenden wir uns noch ein Mal dem heiligen Nepomuk zu, der uns vor den Bösen stützte - gestern heute und morgen.

Trotzdem glaube ich fest an eine leuchtende Zukunft Schlesiens, in einem Land in welchem Millionen Menschen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, Religion und Gesinnung im Rahmen eines vereinten Europa ihr Glück finden werden.

Irgendwann, irgendwo, und jetzt, vielleicht auch morgen...geben wie unsere Identität im Tausch für eine Völkergemeinschaft in einem neuen, friedlichen Europa.

Peter Karl Sczepanek
40789 Monheim am Rhein, Eisenstädter Str. 6
Pan-Europa und Europa Nostra Mitglied