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 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 6 / 03.2003

Silesia Superior 6 / 03.2003

Renata Schumann

Totalitäres Denken heute

Hass ist eine Krankheit und man sollte dem von ihr Befallenen Mitleid gewähren. Leider ist Hass aber auch eine ansteckende Krankheit und wenn sie epidemisch wird, bedeutet das Unfrieden. Krieg. Krieg aber zerstört.

Wir leben in friedlichen Zeiten, in denen viele verantwortungsbewusste Menschen sich um einen menschlichen Umgang miteinander, auch nach den Verletzungen des Kriegs von vor einem halben Jahrhundert bemühen.

So erschreckt die Entgleisung von Miroslaw Olszewski in der NTO vom 1.Febr.2003 u.d.T. „Die bösen Sowjets“( Ci niegrzeczni Sowieci), noch mehr aber, dass eine seriöse Zeitung einen derartigen Text veröffentlicht hat. Und das ohne Rücksicht auf das Umfeld – eine Region, in der neben Polen auch Deutsche leben, und das in einem demokratischen Staate. Auch ehemalige Angehörige der Wehrmacht und ihre Nachkommen. Besonders hier in Oberschlesien sollten alle Beteiligten auf einen sensiblen Umgang miteinander achten.

Der Autor, Miroslaw Olszewski, gibt seiner Wut Ausdruck, dass deutsche Soldaten im Film über Stalingrad als leidende Menschen dargestellt wurden. Er benutzt dabei ein Vokabular, wie es in keiner Zeitung im heutigen Europa möglich wäre.

Dieser Autor, anscheinend ein wenig belesener Mensch. weiß nichts von menschlichen Tragödien, die die Entwicklung unserer Spezies von Anfang an begleiten. In der Bibel tötet Kain Abel, aber Gott spricht dennoch mit ihm. Die Geschichten der griechischen Mythologie sind voller Grausamkeit, aber stets werden die tragischen Verwicklungen der Menschen reflektiert.

Wenn der Autor Miroslaw Olszewski etwas gebildeter wäre, wüsste er, dass es jahrhundertelang zur Tradition des christlichen Abendlandes gehörte, dem besiegten Gegner Pardon zu gewähren. Kriegsgefangene wurden in Europa vielleicht nicht vornehm, aber stets mit dem Bemühen behandelt, keinen Hass aufkommen zu lassen, es galt als ehrlos, am Wehrlosen Rache zu üben. Diese christlich geprägte Tradition wurde erst durch die beiden totalitären Regime der Sowjets und der Nazis mit Füßen getreten.

Stalingrad war zweifellos eine der grausamsten Schlachten der Menschheit und eine der absurdesten menschlichen Tragödien. Die Sowjets versteiften sich darauf, die Stadt zu halten, weil sie den Namen des Diktators trug, die Nazis wollten sie eben deshalb auf ausdrücklichen Befehl des Führers für sich erobern. Eine Motivation, wie sie hirnrissiger kaum zu denken ist. Hunderttausende junger Männer ließen dafür ihr Leben.

Wenn heute ein Filmwerk über Stalingrad in deutsch-russischer Kooperation entsteht, so ist das ein Zeichen der Hoffnung. Wenn sich aber Journalisten finden , die diesen Film so kommentieren wie Miroslaw Olszewski, ist dies ein Rückfall in geistige Barbarei.

Und eine ungeheure Gedankenlosigkeit dazu!

Karl Dedecius, der verdienstvolle Übersetzer aus der polnischen Literatur ins Deutsche, mehrfach von polnischer Seite gewürdigt und geehrt, ist einer der wenigen, die Stalingrad überlebt haben.

Und glaubt der Autor der NTO vielleicht, dass alle deutschen Soldaten Nazis waren, oder freiwillig in den Krieg zogen? Da hieß es nämlich – an die Front! und wer sich weigerte, wurde erschossen. Mein Vater, ein deklarierter Pazifist, wurde auch in eine verhasste Uniform gesteckt und bekam nach Stalingrad ein Urteil für wehrkraftzersetzende Äußerungen. Er kam in einem Strafbattallion ums Leben.

Nach dem Krieg gab es allerseits intensive Bemühungen, die Verletzungen zu überwinden. Nur das Sowjet-Regime konservierte den Deutschenhass.

Polnische Autoren und Intellektuelle haben dennoch viel für die Überwindung des blinden Reflexes des Hasses getan

In Oberschlesien lebt noch die Erinnerung an den unseligen Krieg, der so viele Menschenleben gefordert hat. Die meisten derer, die auf deutscher Seite gekämpft haben, waren auch Opfer des Krieges, wenngleich es den Polen nicht zu verdenken ist, sie vor allem als Okkupanten in Erinnerung zu haben. Dennoch sollte man heute auch den ehemaligen Gegnern Respekt zeigen, zumindest nach deren Tod. Sollte vielleicht die Hasstirade in der NTO die Debatte um die Denkmäler für die Gefallenen der Weltkriege anheizen?

Dann wäre natürlich tiefe Besorgnis um die Zukunft Schlesiens im gemeinsamen Europa angesagt.

Und um einen Satz des Autors der in der NTO veröffentlichten Entgleisung zurückzugeben – wer so denkt, wie Miroslaw Olszewski, stellt sich selbst in die Reihe der dümmsten Hyänen, der Verursacher dieses oder eines anderen Desasters wie Stalingrad.

Dem sollten sich alle Menschen guten Willens widersetzen.