In Schlesien, insbesondere Oberschlesien fand in der zweiten Hälfte des XVIII Jahrhunderts ein großer
Umschwung statt, der einen noch nie da gewesenen Aufstieg, und Fortschritt in allen Bereichen des Lebens zur Folge
hatte. Die Ursache davon lag in den Händen Friedrichs des Großen, der nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 Schlesien
entgültig in Preußen einverleibte, und sogleich eine neue, Landesverwaltung nach preußischer Art und Weise ins Leben
rief. Auf diese Weise entstanden nicht nur der oberschlesische Bergbau und die Hüttenindustrie, sondern auch Tausende
von mittlern und kleinen Fabriken, Betriebe und Unternehmen, die den Grundstein der allgemeinen Volkswirtschaft in
Oberschlesien bildeten, und später die kapitalistische Marktwirtschaft betrieben.
Diese Firmen lagen bis 1922 in den Händen privater Eigentümer, die zum größten Teil im Rahmen
einer Familie vererbt wurden. Im Rahmen der sich immer neuzeitlich gestaltenden kapitalistischen Betriebsverwaltungen
wurde dafür Sorge getragen, dass verantwortungsvolle Ämter in die Hände dafür kompetenter Personen gelangten. Und so
entstanden die ersten Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Immer wurde auf einen guten Ruf der Firma gearbeitet,
auf ihre Konkurrenzfähigkeit und positive Bilanz. Diese Worte wurden auf kommende Generationen weitergeleitet, bildeten
den Grundstein zu Investitionen und Fortschritt.
Große Worte legte man auf Arbeitsfreunde, allgemeine Kultur der Arbeit und eine Zusammenarbeit der
Arbeitnehmer mit der Betriebsführung. Fast jeder größere Betrieb hatte sein eigenes Orchester, Gesangvereine,
Sportgesellschaften und kulturelle Vereine.
Zur derartigen Verbindungen zwischen der Belegschaft und Betriebsführung möchte man heute zurückkehren.
Ich spreche hier aus eigenen Erfahrungen, dann ich selbst tätiges Mitglied eines 160-köpfigen Gesangchores bei Bayer
Leverkusen bin, der mit der Betriebsführung eng verbunden ist.
Es wurden Hinweise und Aufmerksamkeiten des großen schweizerischen Pädagogen und Soziologen Johann
Pestalozzi (1746 – 1827) befolgt, der auf ein persönliches Verhältnis des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber großen
Wert legte. Nach jeder Denkungsart bildeten sich in Oberschlesien Begriffe wie Heimat und Heimaterde, die nur in dieser
Provinz einen eigentümlichen Klang besitzen.
Die nach dem II. Weltkrieg nach Oberschlesien eingewanderten Polen, die aus eigener Initiative nach
Schlesien kamen, oder aus ihrer alten polnischen Heimat (Domowina) vertrieben wurden, fanden oberschlesische Kultur sehr
eigenartig und fremd, auf alle Fälle nicht nach ihrer Art. Sie aber waren die Herren und daher ist es nicht zu
verwundern, dass sie ihre Denkungsart, Mode, Kultur und Gewohnheiten der einheimischen Bevölkerung aufdrängten, und
jeden Widerstand rücksichtslos unterdrückten.
Der seit 1926 polnische Wojewode von Kattowitz, Micha³ Gra¿yñski fing mit der Polonisierung
Oberschlesiens an, wobei er kein Mittel scheute um seinen Ziel näher zu kommen. Fast alle deutsche Beamten sowohl in
der Landesverwaltung, wie auch in der Industrie wurden abgesetzt und verdrängt. An ihre Stelle kamen Polen aus dem Süden
des Landes von wo auch Gra¿yñs
ki persönlich stammte.
Die totalitären Regime Hitlers und Stalins in den Jahren 1939 – 1956 brachten viel Unheil über
das Land. Es wurden hohe Beamten in der Landesverwaltung und Industrie eingestellt, die von ihrem neuen Arbeitskreis und
den Pflichten keine Ahnung hatten, aber treue und blinde Anhänger der Regime waren. Die ersten Sekretäre der
polnischen Arbeitspartei „PZPR“ in Kattowitz riefen schon zum dritten Mal nach Oberschlesien Beamte aus
Ostpolen herbei, deren einziger Verdienst war, eine kommunistische Vergangenheit zu besitzen. Einer der bekanntesten
Sekretäre, Genosse Edward Gierek, besetzte hohe Ämter mit den „avant dilettanti“, die aus seiner
„Altreich-Heimaterde“, jenseits der Przemsza, an der Grenze zu Kleinpolen stammten. Die eingewanderten
Polen, die die Macht ausübten, waren natürlich auch bemüht, ihre Kultur und Gewohnheiten der einheimischen Bevölkerung
aufzudrängen. Und das wirkt gegen Oberschlesier wie eine Zwangsstörung.
Vor zwei Jahren wandte ich mich an den Stadtpräsidenten von Tichau in Oberschlesien, mit der Bitte
sich dem noch tätigen oberschlesischen Bildhauer August Dyrda anzunehmen, und ihm einige Aufträge zu erteilen, worauf
ich keine Antwort erhielt.
Er hat sich so gelegt, dass 200 Jahre nach der Geburt des bundesweit bekannten oberschlesischen
Bildhauer August Kiss (1802 – 1865), der auch aus Tichau-Paprotzan stammte, wird heute in derselben Stadt
Traditionsträger besitzen, nämlich den August Dyrda, geboren am 6.7.1926 in Wyry bei Tichau, der auf viele seine Werke
mit Stolz zurückblicken kann.
Trotz seines guten Rufes erhielt August Dyrda von der Stadtverwaltung schon seit 14 Jahren keinen
einzigen Auftrag, ein Werk zu vollbringen, dass dem Ergeiz der jungen Stadt entsprechen könnte. Die bestehende
„Gesellschaft“ des „Kleines Vaterland“, also polnisch „Ma³a
Ojczyzna“ in Tichau, die zum größten Teil aus eingewanderten Polen bestehen, weist kein Interesse für den
Bildhauer August Dyrda auf.
Heute entstehen in oberschlesischen Städten viele sogenannte Gedenkstuben, die den Zustand 700 jähriges
Oberschlesiens erst seit 1922 schildern, und auf Bildern festhalten. Auf den Bildern wird zum größten Teil barfüssige
Kinder und herumlungernde Arbeitslose (als die „D-Reicherbe“ betrachtet) oder es sind die
Konzentrationslager und die schlimme Nazizeit zu sehen.
Die Überlieferungen von Lebensweisheit und Erfahrungen vom Vater und Sohn haben schon aufgehört,
eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Kultur stellt schon kein Bindungsmittel zwischen dem Arbeitsplatz und Zuhause
im Rahmen der allgemeinen Gesellschaft. Der Oberschlesier von heute hat viel an Selbstbewusstsein, Glauben und
Selbstvertrauen verloren. Er weiß nicht wem zu glauben und zu vertrauen ist, welchem Ruf er folgen soll. Daher ist es
kein Wunder, dass er an Begebenheiten wie Wahlen keinen Anteil nimmt, und sich mit Schweigen und Misstrauen umhüllt.
Diese Charaktereigenschaft hat in Oberschlesien jahrhunderterlang Tradition, denn sie stammt noch von Zisterzienser Mönchen,
die im XIII Jahrhundert vom Westen nach Schlesien kamen.
Doch noch nicht alles ist verloren, wie es den Anschein haben mag.
Am 6. September anno 2002 fand in Chorzów ehemalig Königshütte in Oberschlesien, eine außerordentliche
Feierlichkeit statt, die für die oberschlesische Kultur und Tradition heute von großer Bedeutung ist. Im Mittelpunkt
der Stadt, in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Königshütte wurde auf feierliche Weise in Anwesenheit von Vertreten
der Wojewodschaft Kattowitz und der Kirche, das über drei (3.15) Meter Hohes Bronzestandbild des Grafen Friedrich
Wilhelm von Reden (1752-1815) (nach der ersten Version von Bildhauer Theodor Kalide) enthüllt.
Diese Begebenheit fand einen großen Widerhalt und viel Begeisterung zwischen der Bevölkerung von
Chorzów, obwohl nicht alle wussten wer F.W. von Reden war, und welche Verdienste er für die Stadt aufzuweisen hatte.
F.W. Graf von Reden ist der Gründer der Königshütte, die 1802 in Betrieb gesetzt wurde, und die, der danach
heranwachsender Stadt auch ihren Name gab. F.W. von Reden gewährte für über zwei Jahrhunderte Tausenden von Menschen
Arbeit und Brot. Aus Anlass seines 250 Geburtstages zum Zeichen der Dankbarkeit setzte die Bevölkerung der Stadt Chorzów
ihrem Gründer das Denkmal. Der größte Verdienst Redens war, dass er auf Grund englischer Technologie, die er gründlich
in England studierte, und im XVIII Jahrhundert die neuzeitlichste war.
Sie brachte die Königshütte zu einem raschen Aufschwung, so dass sie am Anfang XIX Jh., die
modernste in Schlesien und auf dem europäischen Kontinent war.
Es ist nicht das erste Denkmal, das diesem verdienstvollen Mann Aufgestellt wurde. Es ist das Dritte.
Die zwei vorherigen bestehenden wurden aus politischen Gründen von den polnischen Machthaber vernichtet. Es ist
traurig, die Feststellung machen zu müssen, dass das größte Werk Redens, die Königshütte, dem Verfall ausgeliefert
ist, und in kurzer Zeit nicht mehr existieren wird.
Was in den letzten 200 Jahren in Oberschlesien aufgebaut wurde, blühte und lebte, wurde in den
letzten 50 Jahren an den Rand des Ruins gebracht. Die ganze Volkswirtschaft liegt am Boden. Heute hat Oberschlesien über
300.000 Arbeitslose aufzuweisen, was ungefähr 19% aller Arbeitfähigen ausmacht. Die größte Schuld dafür drangen
verantwortungslose Entscheidungen der polnischen Machthaber, die jahrhundertlange Tradition und Kultur missachtend, die
Provinz zu Grunde wirtschaften.
Doch der Geist und Lebensmut der oberschlesischen Bevölkerung, der Glaube an eine bessere Zukunft hält
weiterhin an. Der beste Beweis dafür ist das Denkmal Redens, das am 6.9.2002 in Chorzów feierlich enthüllt wurde. Der
Schöpfer das Bronzestandbildes ist der bekannte, heute 76 Jahre alter Bildhauer, August Dyrda aus dem Plesser Land. Ältere
Generation blickten mit Stolz auf dieses Denkmal, das außerordentlich gut gelungen ist, während die Jugend voller
Hoffnung und Erwartung Reden als traditionellen Hoffnungsträger auf ihrem Weg nach Europa betrachtet.
Wie innig die oberschlesische Bevölkerung mit dem Namen des Grafen von Reden verbunden ist, beweist
ein Brief, den ich von einem alten Einwohner der Stadt Chorzów am 22.9. 2002 erhalten habe. Es schildert das Schicksal
des Redendenkmals, welches die Polen nach ihrer Machtergreifung 1945 in der Stadt vernichtet hatten. Wie aus diesem
Brief hervorgeht, war der Briefschreiber in den 60-ger Jahren in einer Baufirma der Stadt beschäftigt, und trat zufällig
in einem Keller tief versteckt auf die zerschlagenen Überreste des drei Meter hohen Bronzedenkmals, welches 1945
abgetragen wurde. Der Direktor dieser Baufirma, ein Ostpole, jetzt in seinem „klein Vaterland – Chorzów“,
gab den Befehl dieses Denkmal in kleinere Stücke zu zerschlagen, und es als Altmetall zu verkaufen. Dasselbe Schicksal
wurde auch in Breslau dem Denkmal des Friedrich Wilhelm den III und dem Friedrich dem Großen („Alter
Fritz“), welche August Kiss aus Paprotzan bei Tichau – in Berlin geschaffen hatte, zuteil.
Ihrer Anhänglichkeit an vergangene Kultur, Überlieferungen und Traditionen braucht sich die
oberschlesische Bevölkerung nicht zu schämen. Diese kann beim Eintritt in die Europäische Union noch vielseitig von
Nutzen sein. Nur auf diese Weise kann unser Glaube an eine bessere Zukunft, unser Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen
aufgebaut werden.
PS. Nun muss hier hervorgehoben werden, dass im Stadtmuseum von Chorzów auf der Strasse
ul. Powstañców 25 in diesem Monat eine Ausstellung unter dem Titel „Friedrich Wilhelm von Reden und seine
Verdienste um Schlesien“ stattgefunden hatte. Auf dieser Ausstellung war der Bronzekopf des August, 1939
zerschlagenen Redensdenkmals zu sehen. Spuren von Meisel und Hammerschlägen waren auf dem Überrest zu sehen.
Wie aus den Worten der Museumsleiterin hervorgeht, wurde dieser Bronzekopf von einem unbekannten Besitzer dem Museum
geliehen. Vielleicht war es der Direktor der Baufirma, der es mit Gewissensbissen zu tun bekommen hatte, oder irgendein
privater Sammler mit seinen oberschlesischen Schätzen. Der Name ist weiter unbekannt.