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 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 6 / 03.2003

Silesia Superior 6 / 03.2003

Joachim Georg Görlich

Pionier oberschlesischer Nachkriegsmusikkultur: Paul Schmidt

Die Zeugen der Musikkultur im Oberschlesien gleich nach dem II. Weltkrieg haben zumeist das Rentenalter erreicht. Der Großteil der deutschen Pioniere dieser Kultur sind verstorben. Es gibt kaum Dokumente, zumal nach der nationalsozialistischen die rotnationalistische Zensur und ebenso die kulturelle Zwangspolonisierung kam. Es gibt zwar sporadische Erinnerungen, die leider jedoch weiterhin mit der alten getönten Brille mit Blick auf die europafremde "Staatsräson" geschrieben sind.

Ein besonders herausragender Pionier war Paul Schmidt (*1897 in Greisau Krs. Neiße und + in Essen 1967). Sein Weg führte übers Lehrerseminar Zülz in die Schulen nach Schmitsch, Neiße, Bauerwitz, Walzen etc. Der mehrfache Schulleiter absolvierte 1937 in Musiktheorie das Breslauer Konservatorium.

Die Fronthandlungen waren 1945 kaum beendet, da tauchte Rektor Paul Schmidt in der Heimatstadt seiner Frau, Oberglogau, auf, und begann dort das Musikleben zu reaktivieren. Der Verfasser dieser Zeilen konnte diesen Aufbau von allernächster Nähe beobachten:

Er begann seine Karriere im Schmidtschen neuen (deutschen) Kirchenchor als Sopran, gehörte seinem adventlichen Kammerorchesterensemble (Blockflöte) an, erhielt bei ihm seinen ersten Geigen- und Klavierunterricht, sowie Unterweisungen in Harmonielehre und Kontrapunkt, wurde Dirigent des Schmidtschen Jugendorchesters. Und in diesem Zusammenhang erinnert er sich gut daran, wie der Organisator Schmidt, in den ersten Nachkriegstagen Geigensaiten aus Telefondraht herstellte, weil echte nicht vorhanden waren.

Paul Schmidt war nicht nur ein exzellenter Organist, sondern gründete zudem ein Salonorchester. Die musikalische Umrahmung z.B. der kirchlichen Prozessionen, voran der von Fronleichnam, die er auch dirigierte, hatten höchstes Niveau. Er engagierte für diese Zwecke sogar Künstler aus der Kreisstadt Neustadt. Die Aufführung der Rheinberger-Messe war ein musikalischer Ohrenschmaus.

Man kann feststellen, dass lange Zeit kaum ein Pole den Schmidt' sehen Klangkörpern angehörte. Der Kirchenchor - ob richtig oder falsch - galt auch bei den Sicherheitsbehörden lange Zeit als Bastion des Deutschtums. Der Verfasser kann sich noch gut erinnern, als sich der erste polnische Chorist meldete. Das Orchester zerfiel, als seine Mitglieder größtenteils aussiedelten. Das Jugendsalonorchester, als der Verfasser zum Musikgymnasium Kattowitz ging. Mit mehr oder minderem Druck entstand aus Teilen des Kirchenchores (viele Mitglieder lehnten dies ab) der polnische Chor "Echo", der im damaligen "Kulturhaus" sogar vor den Mikrofonen des Senders Kattowitz auftrat.

Paul Schmidt war ein durchaus politischer Mensch. Wegen seiner christdemokratischen Gesinnung hatte er bereits Diskriminierungen seitens der Nazis hinzunehmen. Er war ein glühender Verehrer von Konrad Adenauer, den er als Garant eines vereinigten Europas betrachtete. Diese Idee beeindruckte auch den Verfasser, der gleich nach Übersiedlung an den Rhein der Partei Adenauers beitrat.

So musste dieser gottesfürchtige Mann (von der UB als „Klerikaler“ und „Adenauerist“ eingestuft) auch ins Visier der Machthaber und somit ins Neustädter Gefängnis geraten.

Hier konnte sich der Verfasser zum ersten Mal dankbar erweisen. Er schwamm damals als Musikstudent auf einer Erfolgswelle und erfreute sich der Gunst seines Professors, Generalmusikdirektor Adam Kopyciñski (Breslau). Dieser hatte nicht nur ein persönliches Faible für Oberglogau, sondern war aus der gemeinsamen Zeit in der Lagerkapelle von Auschwitz Duzfreund des amtierenden Premiers, Józef Cyrankiewicz. Dieser wurde eingeschaltet und Schmidt entlassen .

Zum letzten Mal konnte sich der Verfasser seinem Meister dankbar erweisen, indem dieser Vorgang und die Rolle Schmidt's im Nachkriegs-0/S in einer genehmigten Sonderarbeit für das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen verewigt wurde. (*) Der damalige Pfarrer von Oberglogau, Dydek, hat sich nicht gerade mit Ruhm gegenüber Schmidt bekleckert, so dass dieser bis zu seiner Ausreise als pendelnder Organist in Zülz sein Brot verdienen musste. Zurück blieb von vier Kindern die Tochter Annemarie, die einen polnischen Ingenieur heiratete.

Das letzte Mal traf der Verfasser seinen Meister während eines Oberschlesiertreffens in Essen; dessen Witwe später noch zweimal in der eigenen Wahlheimat Haan.

(*) Der Verfasser war damals freier Polenexperte dieses Hauses.