Das nach der Wende in Oppeln reaktivierte Eichendorff-Konversatorium steht in einer ehrenvollen Tradition. Es war in der
Zwischenkriegszeit von Oppelner Kulturschaffenden gegründet worden. Herausgeber war der Publizist Willibald Köhler. Zu den Mitgliedern der
Gesellschaft, die sich Eichendorff- Konversatorium nannte und diese Zeitschrift herausgab, gehörten der Maler Thomas Myrtek und der Dichter
Max Hermann Neiße. Der Landrat Michael Matuschka, der später wegen seiner konspirativen Tätigkeit gegen das Hitler Regime hingerichtet
wurde, stand lange Zeit dem Gremium vor.
Nach der Wende knüpfte der Fotograf und Heimatkundler Freyderyk Kremser an diese Tradition an.
Die von einer Gruppe Kulturschaffender initiierte Joseph von Eichendorff Gesellschaft, die sich das Ziel setzte, in den letzten
Jahrzehnten verschüttete Traditionen zu beleben, also bestrebt sein wollte, an die Geschichte und die Kultur Schlesiens zu erinnern, wendet
sich dabei gleichermaßen an die im Lande verbliebenen Einheimischen wie auch an die zugewanderten Polen.
Die heutige Gesellschaft gibt auch eine seit 1992 vierteljährig erscheinende Zeitschrift heraus. Es ist das bisher einzige Kultur- Forum
der deutschen Minderheit, mit dem viele Hoffnungen verknüpft wurden und werden.
Es ist klar, dass nach Jahrzehnten der Zwangsassimilierung, deren Ziel vor allem die sprachliche und kulturelle Selbstentfremdung der
einheimischen Bevölkerung war, es kaum leicht fallen dürfte, eine Zeitschrift von einem ansprechenden Niveau zu stande zu bringen. Doch
man hat es mutig gewagt. Das Redaktionsteam, der Ökonomist Dr.Adolf Kühnemann und die Altphilologin Prof. Dr. Johanna Rostropowicz, hat
bisher eine Reihe sich gut präsentierender Hefte herausgegeben.
Allerdings waren manche Ausgaben, wie es gar nicht anders zu erwarten war, mit gemischten Gefühlen zu Kenntnis zu nehmen. Das Niveau der
Texte, ihr Inhalt und oft auch die Übersetzungen ließen zu wünschen übrig. Ein einheitliches Profil wurde kaum deutlich.
Umso erfreulicher liest sich die letzte Ausgabe, das 34. Heft des Eichendorff Konversatoriums, das von Prof.Rostropowicz betreut wurde.
Diesmal stimmt fast alles: Interessante Texte, gute Übersetzungen, eine schlüssige thematische Zusammensetzung.
Das Hauptanliegen der Publikation, die ehemalige Kulturlandschaft ins Gedächntnis zu rufen, wird auf prägnante und gediegene Weise
sichtbar.
In der vorliegenden Ausgabe vom März 2002 kommt u.a. Meinrad Köhler, der Sohn des damaligen Herausgebers, mit Erinnerungen an die
Einweihung des Festsaales im Schloss Lubowitz zu Worte. Dort sollte, so beabsichtigte es man damals, 1940, ein Zentrum zu Pflege des
geistigen Erbes Joseph von Eichendorffs entstehen. Bei der Gelegenheit traf sich die damalige geistige Elite Oberschlesiens, außer den
Mitgliedern des damaligen Eichendorff- Konversatoriums, der Schriftsteller Alfons Hayduk, Karl Schodrok, der Oberbürgermeister von Oppeln
Dr.Ernst Berger und andere.
Willibald Köhler zitiert eine Beschreibung des Festes des Eichendorff- Biografen Hans Brandenburg.
Weiter findet sich im Heft der Text eines bewährten Brückenbauers zwischen Deutschen und Polen, Karl Dedecius, der über die kulturelle
Symbiose der beiden Völker in der Vergangenheit berichtet. Ein besondes im Kontext dieser Zeitschrift wertvoller Beitrag.
Daneben kommen aber auch unbekannte Autoren beziehungsweise Autorinnen zu Worte, die erfrischend Neues zu berichten haben. So eine Skizze
von der westdeutschen Musikologin Sabine Traud über den zu wenig bekannten schlesischen Komponisten Max Drischner. Ein Beispiel, dass
oberschlesische Kultur, nunmehr als Exotikum, auch westdeutsche Autoren zu interessieren beginnt.
Aber auch die Skizze der oberschlesischen Autorin und Professorin Beata Gaj über den Katalog der gelehrten Mädchen und Frauen von
Gregor Martin von Baldhofen ist beachtenswert. Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Kattowitz, die essayistische
Skizze entstand am Rande ihrer wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema.
Bemerkenswert auch der Beitrag der Professorin der Kattowitzer Universität Wieslawa Korzeniowska über den oberschlesischen Adel und
sein verantwortungbewusstes Eintreten für die Bevölkerung des Landes.
Alle drei Texte sind wissenschaftlich bestens fundiert, aber doch - wahrscheinlich vor allem durch die durch die Zweisprachigkeit
gebotene Kürze der Aussage - eingängig geschrieben.
Frappierend zeichnet sich in einer Rezension von Johanna Rostropowicz das Drama einer ausgesiedelten oberschlesischen Familie, die unter
der ihr durchs Zeitgeschehen auferlegten Zerrissenheit leidet, dargestellt von einem bisher unbekannten Autor. Diese Familie lebt weit weg
von ihrer Heimat ist aber mit ganzem Herzen noch in den Wäldern zwischen Oppeln und Kreuzburg zu Hause. Man spricht den oberschlesischen,
schlonsakischen Dialekt, der als Wasserpolnisch gilt, doch ist man von ganzer Überzeugung deutsch. Der Autor des Dramas „Die
Sippe“ ( Rod) , Alfred Bartylla-Blanke, lebt in Deutschland, schreibt aber zum Teil oberschlesisch, zum Teil polnisch.Hier spiegelt
sich eine mentale Situation, die sich bei Oberschlesiern heute zunehmend bemerkbar macht.
Alles in allem scheint dieses Heft einen Besweis zu erbringen, dass die Hoffnung, die man auf die Zeitschrift „Eichendorff-Konversatorium“
setzte, sich allmählich zu erfüllen beginnt.