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 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 5 / 12.2002

Silesia Superior 5 / 12.2002

Józef Szulc

Oberschlesien hatte seinen Robin Hood

Hat Räuber Pistulka seinen Schatz in Oberwitz versteckt?

Zwischen vielen Legenden und Überlieferungen, verbunden mit interessanten Begebenheiten in Oberwitz, ist die alte mündliche Überlieferung über den Aufenthalt des berühmten oberschlesischen Räuberhauptmanns Karl Pistulka. Wahrscheinlich sollte er sogar in Oberwitz seinen Schatz hinterlassen haben.

So erzählen noch heute manche ältere Bewohner dieses Dorfes. Den jüngeren Lesern bin ich verpflichtet zu erklären, dass fast über 100 Jahre Pistulka im Gedächtnis, Legenden und Liedern der Einwohner Oberschlesiens als hiesiger Robin Hood oder Janosik erscheint. Das Volk rühmte Pistulka und seine Kumpel als seine Helden und schrieb ihnen edle Taten zu. Über Pistulka wurde erzählt, dass er Geld und Vermögen nur den Reichen abgenommen hat und den Armen verteilte. . Oft sollte er Familien geholfen haben, welche sich in einer aussichtslosen Lage befanden, in dem er ihnen nachts Geld unter die Türen schob. Bis heute treffen wir in Oberschlesien, insbesondere in seinem Kattowitzer Teil, Überlieferungen, Lieder und Witze, in welchen eben Pistulka der positive Held ist. Es kommt vor, dass wir in ihnen Bezug zu der Gegend von Gogolin und Krappitz haben. Pistulka erschien auch in der oberschlesischen Literatur, es schrieben über ihn u.a. S. Ligoñ, E. Hiltman, E. Imiela, S. Wasylewski, F. Pluta, F. ¦piewak, Sz. Koszyk, R. Kincel i A. Halor.

Karl Pistulka war eine geschichtliche Gestalt. In den 70. Jahren des 19. Jahrhunderts gründete er zusammen mit anderen Personen, darunter auch mit dem aus Stradunia stammenden Vinzent Elias (früher wohnte diese Familie in Malina bei Oppeln) eine Bande, welche zum echten Alpdruck und Schrecken der Polizei des ganzen Oppelner Regierungsbezirks wurde. Diese Gruppe beging eine Reihe außergewöhnlicher dreister und wirksamer Überfälle. Pistulka und Elias sind dadurch Helden der damaligen Presse geworden, über sie schrieben alle wichtigeren Zeitungen aus dem gesamten Gebiet von Deutschland.

Die räuberische Tätigkeit des Pistulka

dauerte etwa drei Jahre (1873 - 1875). Mit seinen Gefährten trieb er sein Wesen auf dem gesamten Gebiet von Oberschlesien, wechselte oft den Aufenthaltsort und seine Verstecke. Dank großer Durchtriebenheit entkam er Verfolgungen, wobei er die üppig belohnte, welche im geholfen haben. Über ihn wurden die sonderbarsten Sachen erzählt, u.a. dass er sich verkleidete, weshalb er schwerlich zu erkennen war. Die Legende erzählt, dass er während der Einbrüche Farnkrautblüten benutzte, welche ihm angeblich alle Schlösser öffneten und als er mal diese Blume verlor, hatte er große Schwierigkeiten um eine andere aus dem Wald zu bekommen.

Das Hauptgebiet der Tätigkeit

der Gruppe von Pistulka und Elias waren die Gegend um Beuthen, Nikolaj und Kattowitz, von da aber unternahmen sie Ausfälle sogar in die Gebiete von Kreuzburg, Oppeln und Oberglogau. 1874 wurde Pistulka gefasst. Die Verhandlung fand statt vor dem Gericht in Beuthen im Juni 1875. Pistulka, welcher sich gegen die schweren Vorwürfe verteidigte und zur Schuld sich nicht bekannte, wurde zum Tode durch das Beil verurteilt. Bevor diese Strafe ausgeführt wurde starb Pistulka infolge Vergiftung bewirkt durch Verschlucken von Rohtabak.

Der Gefährte von Pistulka, Vinzent Elias wurde auch in kurzer Zeit gefasst und eingesperrt. Verhängt wurde die Todesstrafe, ist aber im Begnadigungsverfahren in lebenslängliches Gefängnis umgewandelt worden. Die Strafe büßte er von Oktober 1876 bis April 1918 im Gefängnis in Ratibor ab. Als man ihn für gute Führung rauslassen wollte, verzichtete er auf die Freiheit und wohnte mit Genehmigung der Gefängnisverwaltung im Gefängnis; er tätigte in der Stadt Einkäufe und ist dadurch eine äußerst populäre Person geworden.

Die Gerichtsprozesse von Pistulka und Elias

waren durch die Presse breit umschrieben. Der Beweis der überregionalen Berühmtheit dieser zwei Personen ist die Tatsache, dass man sie am Anfang des 20. Jahrhunderts „wie lebendig” in der Hauptstadt des Kaiserreiches Berlin besichtigen konnte. Ihre Modelle aus Wachs, versehen mit origineller Bekleidung, waren ausgestellt Unter den Linden im Berliner "Castans Panopticum", entsprechend dem berühmten Londoner Wachsfigurenkabinett. Vorstehende Tatsache ist ein unzweifelhafter Beweis der Mythologisierung zweier oberschlesischer Räuber, welchen auch Legenden und Lieder bestärkten.

Der Aufenthalt von Pistulka in Oberwitz ist verbunden mit der Bauangelegenheit der örtlichen Kirche. An dieser Stelle sollte man erwähnen, dass der Bau des Gotteshauses 1869 begonnen wurde. Nach einigen Jahren wurde wegen Mangel an Geldmitteln der Bau eingestellt. Dieses Bauvorhaben befand sich über 10 Jahre in Händen von Personen außer Oberwitz, welche darin ein Lager für Schilf einrichteten. Eben zu dieser Zeit sollte hier Pistulka seinen Aufenthalt und Versteck haben. An Stelle der gebauten Kirche sollte er hier seinen Schatz verstecken - einen Topf mit Goldmoneten. Diese Information konnte wahrscheinlich vom im Ratiborer Gefängnis verbleibenden Vinzent Elias stammen und übermittelt sollte sie ein Wanderer, welcher aus Ratibor zurück kam. Er beschrieb sogar die genaue Stelle, wo der Schatz versteckt sein sollte.

Die Überlieferung über den Aufenthalt von Pistulka

ist schon sehr alt. Der mit der Geschichte von Oberwitz sich befassende und in Deutschland wohnende Hubert Ralla, wies hin auf das Bestehen einer Handschrift von Priester Stanislaw Schulz aus dem Jahre 1931, in welcher er die Chronologie der Ereignisse, verbunden mit dem Kirchenbau darstellte. Priester S. Schulz, sich berufend auf seinen 65-jährigen Onkel Johann, stellte in dieser Handschrift u.a. die Information dar, dass als in dem im Rohbau befindlichem Gebäude Schilf gelagert wurde, damals dort Räuberhauptmann Pistulka sich aufgehalten hat und das Geld vergrub. An dieser Stelle ist es erforderlich die Tatsache zu unterstreichen, dass die Erzählungen über die versteckten Schätze von Pistulka und Elias verbunden sind in Schlesien mit verschiedenen Ortschaften und Oberwitz ist keine Ausnahme. Als Orte, in welchen sich die Schätze befinden sollten wurden angegeben z.B. Beuthen, Chorzow, Siemianowitz, Nikolaj, Oppeln und Pleß. Manchmal wurden diese Schätze in diesen Ortschaften tatsächlich gefunden (z.B. in Beuthen) Mit Sosnitza (gegenwärtig ein Stadtteil von Gleiwitz) verbunden ist die Überlieferung über einen durch Pistulka vergrabenen und dank seiner Hinweise gefundenen Schatz. Ob die Information - ähnlich wie zu Sosnitza - zugewiesen zu Oberwitz - der Wahrheit entsprach? Ich weiß es, dass man in Oberwitz den durch Pistulka vergrabenen Topf mit Goldmoneten zu finden versucht hat, aber dies zeigte sich erfolglos. Der Schatz wurde nicht gefunden.

Vergangen sind schon über 120 Jahre seit der Zeit, als Pistulka seine Tätigkeit ausübte. Weiterhin, aber immer seltener, kann man in Oberwitz noch über diese berühmte Gestalt hören. Dann kommt wieder zurück die Frage über den hier durch den „oberschlesischen Robin Hood“ versteckten Schatz.

PS. Nachstehend stelle ich den aus Groß Stein stammenden Text über Elias und Pistulka dar, auf welchen ich im Büchlein von D. Simonides und J. Ligêza „Erzählungen, 300 Überlieferungen, Märchen und Anekdoten von Oberschlesien“ (Kattowitz 1973) gestoßen bin. Elias und Pistulka konnten die Gendarmen sehr zum Narren halten. Mal verkleideten sie sich als Herren, mal als Bettler, mal auch als Schornsteinfeger so, dass sie niemals erkannt und festnehmen werden konnten. Einmal kamen sie zu uns ins Dorf Groß Stein als zwei Herren und baten um ein Nachtlager. Die Leute nahmen sie auf. Sie gaben ihnen zu essen und ein Nachtlager am Dachboden. Morgens standen sie auf, bezahlten hundert Mark und gingen weg. Nach einigen Tagen kamen sie wieder, wieder haben sie übernachtet. Als sie herausgehen sollten, sagten sie dem Mann, er solle unter die Brücke, welche bei Beuthen ist gehen, dass dort zwei goldene Uhren sind und er sie für sich nehmen darf. Die Leute machten sehr verwunderte Minen. Sie fragten was sie für welche sind und sie antworteten: - Pistulka und Elias - und gingen weg. Aus Angst, dass sie eingesperrt würden, haben sie niemanden was erzählt, obwohl sie die Uhren dort fanden ".
J. Sz.

Übersetzt aus dem Polnischen durch
Georg Buck, Krefeld g.buck@gmx.de