KONTAKT: post@SilesiaSuperior.com

 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 5 / 12.2002

Silesia Superior 5 / 12.2002

Ewald Stefan Pollok

Das Nachkriegsproblem der deutschen Schlesier

Nach der Vertreibung einer Vielzahl von Oberschlesiern, verminderte sich die Zahl der deutsch sprechenden Pilger um Hunderttausende. Während einer Konferenz auf dem St. Annaberg hat es ein Wissenschaftler treffend erklärt: „Wie bekannt, hat das Schicksal bewirkt, daß viele treue Söhne und Töchter dieses Landes, aus verschiedenen Gründen, auch durch ungewollte Vertreibung Schlesien verlassen mußten und sich in den heutigen deutschen Gebieten angesiedelt haben. Mit den geistlichen Werten und den schlesischen Traditionen „nahmen“ sie auch die Verehrung der Hl. Anna mit“. Ihren Platz nahmen Polen aus dem Osten, und die polnischen Rückkehrer aus dem Westen wie auch Polen aus Zentralpolen ein.

Für die Polen aus dem Osten, aus den Gebieten hinter dem Fluß Bug, war die Verehrung der Hl. Anna wenig bekannt. Deshalb hat die katholische Kirche alles Mögliche getan, um für die neuen Bewohner Schlesiens den St. Annaberg attraktiv zu gestalten. In einer Kapelle der Kirche wurde ein Bild der Mutter Gottes aus Tschenstochau aufgestellt und gleich daneben ein Glasfenster mit dem Bildnis des Hl. Hyazynth (polnisch Jacek) von Odrowaz. An der Decke vor dem Altar sind Szenen aus dem Leben der Hl. Anna dargestellt

Schlesier, die ihre Heimat verlassen mußten, beschlossen um wenigstens einen kleinen Ersatz zu haben, einen eigenen St. Annaberg auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu errichten. In der Ortschaft Haltern (etwa 20 km von Münster entfernt) ist ein Stadtteil Annaberg, in dem seit vielen Jahren eine kleine Hl. Anna Kirche stand. Seit 1945 pilgern die Schlesier aus Deutschland hierher zum Fest der Hl. Anna. In den 70-ger Jahren wurde an die kleine Kirche eine große Kapelle und vor der Kirche ein kleines Amphitheater gebaut, denn die Kirche und die Kapelle hatten zu wenig Platz für alle Pilger. Während des Hl. Anna Festes können die Pilger unter dem freien Himmel an der Hl. Messe teilnehmen und es kommen oft zwischen 5 bis 20 Tausend Schlesier angereist, je nach Wetterlage.

In einem schönen Buchenwald wurde ein Altenheim unter dem Namen der Hl. Anna errichtet. Während des Hl. Anna Festes spielt ein in Deutschland aus Schlesiern gebildetes Blasorchester oder ein Orchester aus einer der nahgelegenen Zechen. Auf dem Altar der Kirche steht eine Kopie der Hl. Anna Selbsdritt. In deutscher Sprache werden Lieder aus dem schlesischen Annaberg gesungen. Im Jahre 1995 predigte und zelebrierte der Oppelner Bischof Alfons Nossol die Messe.

Im Jahre 1999 sprach zu den Gläubigen Kardinal Joachim Meisner von der Erzdiözese Köln, der gebürtig aus Breslau ist. Das Wetter war prächtig und daher kamen über 10 Tausend Pilger zum Fest der Hl. Anna, so daß bei der Hl. Kommunion es zu wenig Hostien gab, denn niemand rechnete mit so einer großen Zahl von Menschen die die Kommunion empfangen wollten. Man entschuldigte sich bei den Pilgern und der Kardinal kommentierte diese ungewöhnliche Situation, indem er sagte: „Alle, die nicht die Hl. Kommunion empfangen konnten,, obwohl sie es wollten, werden in den Herzen sich so fühlen, als ob sie die Hl. Kommunion empfingen und Christus in Herzen hatten“.

Im Jahre 2002 war hier Kardinal Leo Scheffczyk, der in seiner Predigt sagte „Diese drei, die gewiß in ihrer Würde sehr voneinander zu unterscheiden sind, verkörpern doch je auf ihre Weise das Geheimnis der Erlösung und der Erlösungsgnade. In St. Anna deutetet sich der Anfang der Erlösung und der Gnade an; in Maria erfuhr die Erlösung eine Steigerung; in Christus aber gelangte sie zur Vollendung“.

Außer in Annaberg bei Haltern treffen sich die Schlesier auch in Annaberg bei Burrweiler in der Pfalz und in Königstein im Taunus sowie in Altötting in Bayern. Hier wurde in den Jahren 1910-1912 eine große Basilika zu Ehren der Hl. Anna gebaut. Am Abend vor den Festfeierlichkeiten findet eine Prozession mit brennenden Kerzen statt. Im Jahre 1999 sprach zu den Pilgern der Gleiwitzer Bischof J. Wieczorek.

In Königstein befindet sich eine Menschengroße Figur der Hl. Mutter Gottes der Vertriebenen, zu der mit ihren Sorgen die Gläubigen aus Schlesien, Pommern u. Ostpreußen kommen.

Jedes Jahr treffen sich die Schlesier auch in Neviges in Westfallen, in der Kirche der Maria der Friedenskönigin. Im Innern der Kirche, die äußerlich wie Gebirgsspitzen aussieht, befindet sich eine Kapelle mit einer Figur der sitzenden Hl. Anna, neben der Hl. Maria und dazwischen steht der kleine Jesus. In Jahren 1999 und 2000 konzelebrierte dort die Hl. Messe der Abt des Benendigtiner Klosters Maria Laach bei Koblenz, Adalbert Kurzeja. Er wurde in Blechhammer bei Ratibor geboren und ist bis heute mit Schlesien eng verbunden. Beim Eingang in die Kirche trugen vor den Geistlichen Bergmänner Fahnen von Schlesien und Oberschlesien. Es folgten Frauen und Männer in schlesischen Trachten.

In jedem Ort in Deutschland, wo Messen zu Ehren der Hl. Anna stattfinden, sind immer Bergmänner, Frauen und Männer in schlesischen Trachten mit Fahnen aus Schlesien sowie Oberschlesien dabei und auch Fahnen aus den Kirchen, die an den Messen teilnehmen. Der Abt Kurzeja sagte u.a.: „Während meines letzten Aufenthaltes in Gleiwitz war ich beim Treffen mit dem Papst Johannes Paul II, der uns mitteilte, daß die Schlesier gut singen können. Wenn ich nur an die Vespergottesdienste am St. Annaberg zurückdenke. Und wieder heute hatte ich den Beweis, daß die Schlesier wirklich gut singen können“.

In der Kirche in Neviges hängt auch eine Kopie des Bildes der Mutter Gottes aus Tschenstochau, das der Kardinal Stefan Wyszynski während seines Aufenthaltes im Jahre 1977 der Kirche schenkte. Im Juni jedes Jahres pilgern zu ihrer „Schwarzen Madonna“ die in Westfalen wohnenden Polen. Vor dem Gemälde steht eine große brennende Kerze mit der Aufschrift „Polen Neviges 1999“, hier kann man auch vor dem Bild der schlesischen Hl. Hedwig beten. Vor dem wunderbaren Bild hängt eine Messingtafel, die an den Aufenthalt von Kardinal Karol Wojtyla in Juni 1977 und am 23. September 1978 erinnert. 24 Tage später ist Karol Wojtyla Papst geworden.

Während aller Feierlichkeiten, die mit der Hl. Anna verbunden sind, werden immer zwei bekannte Lieder aus dem schlesischen St. Annaberg gesungen: „Sankt Anna voll der Gnaden... Wir lieben Dich, St. Anna, heil´ge Mutter! Sankt Anna, bitt´ für uns ... und am Ende der Messe, beim Verlasen der Kirche von den Geistlichen, Bildern und Fahnen, das Lied: „Über die berge schalt lieblich durch Flur und Wald, Glöcklein dein Gruß...

In dem in Deutschland veröffentlichten Album über die Pilgerfahrten zu den europäischen Heiligstätten, steht geschrieben: „Vierzig Jahre ist es her, daß die Schlesier wie so viele andere Vertriebene verschiedenster Nationen, ihre Heimat verlassen mußten. Vieles mögen sie seither vergessen haben - nicht aber den Annaberg.

Annaberg, daß ist für sie noch heute ein allen gemeinsamer Begriff für Heimart, für ein durch Frömmigkeit und Gemeinsamkeit geregeltes Jahr. Hätten sonst die in der neuen Heimat zu neuer Tradition erblühten Anna-Wallfahrten einen so großen Zulauf, würde man sonst, wie etwa bei der alljährlichen Anna-Walfahrt nach Altötting die Glocken des Annabergs beim Einzug ins Heiligtum vom Band abspielen“

Die deutschen Schlesier aus der Bundesrepublik kommen in der letzten Zeit häufig zum schlesischen St. Annaberg, und seit der im Jahre 1989 eingeführten Sonntagsmessen in deutscher Sprache, sind immer mehr Autos mit deutschen Kennzeichen sichtbar. Trauungen für deutsche Jungverheiratete finden immer häufiger statt. Es wäre schön, wenn eines Tages auch wieder Messen in der tschechischen und mährischen Sprache gehalten werden könnten, so wie es früher gewesen war.

In den Jahren 1951-1980 verließ Schlesier im Rahmen der Familienzusammenführung mit den Angehörigen in der Bundesrepublik eine große Zahl von Bewohner dieses Landes. Die Diözese Oppeln zählte damals 1800 Tausend Einwohner, davon waren 50% hiesige Schlesier, 30% Polen aus dem Osten und 20% Polen aus anderen Teilen von Polen.

In Deutschland unweit der holländischen Grenze liegt das Städtchen Kevelaer, in das jedes Jahr Tausende Pilger zum Bild der Mutter Gottes vom Luxemburg kommen.

Für die Holländer, die hier jedes Jahr in der Anzahl von 250 Tausend Personen kommen, ist es der größte religiöse Pilgerort für die Menschen aus Holland. In den Kirchen, Kapellen auf den Kirchplätzen, überall sieht man Beschriftungen in deutscher und holländischer Sprache. Die Messen werden ebenfalls in beiden Sprachen zelebriert. Beichten werden außerdem in italienischer, englischer, französischer, polnischer Sprache und in vielen anderen gehört, auch in der vietnamesischen Sprache. Auch eine Zeitschrift unter dem Titel „KEVELAER“ wird in deutscher und holländischer Sprache veröffentlicht.

In Italien, im Dreiländereck; Österreich, Slovenien, Italien, unweit des Ortes Camporosso, auf dem 1776 Meter hohen Berg Monte San di Lussari, befindet sich ein Kloster und eine Kirche, die von Franziskanern betreut wird. Hier ist ein Treffpunkt dreier Kulturen; der romanischen, slawischen und germanischen Kultur. In der Kirche werden Messen in drei Sprachen gehalten, die Informationen sind ebenfalls in drei Sprachen zu lesen und über den Beichstühlen sind Beschriftungen: Italiano, Slovenski, Deutsch.

In Belgien, in der Ortschaft Benneux, wo sich im Jahre 1933 die Hl. Mutter Gottes zeigte, kann man polnisch beichten und die Messe wird auch in der polnischen Sprache gehalten. Auch in der belgischen Ortschaft Beauring kann man ebenfalls in der polnischen Sprache beichten und beten.

Als im Jahre 1989 auf dem schlesischen Hl. Annaberg die Sonntagsnachmittagsmesse in deutscher Sprache eingeführt wurde, sagten viele Polen: „schaut mal her, wie tolerant wir sind“, und die deutsche Minderheit wie auch die deutschen Touristen freuten sich, daß so viel erreicht wurde. Das Beispiel der anderen Länder sollte die alten annabergischen Traditionen herbeiführen, als die Sprache kein Hindernis gewesen war. Polen wird im Jahre 2004 ein vollständiges Mitglied der EU und deshalb sollten auch die Polen die Toleranzgrundsätze beachten, die in der Mehrheit der EU Länder Alltag sind. Auf dem schlesischem St. Annaberg fehlen Beschriftigungen in deutscher und anderen Sprachen, denn viele Gläubige, die diesen Ort besuchen sind der polnischen Sprache nicht kundig. Nur auf der Tafel mit den Messen ist zu lesen, daß jeden Sonntag um 16.00 Uhr Messe in deutsch ist.

Ist das nicht zu wenig? U.a. in Lourdes, Fatima, Alltötting, Neviges singen die Gläubigen auch polnisch und keinen stört dieser Gesang.

Übersetz Dr. Gisela Nowicka