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 GÓRNY ¦L¡SK - OBERSCHLESIEN

 

Nr. 5 / 12.2002

Silesia Superior 5 / 12.2002

Barbara Rommel

Über die Ortsnamen in Oberschlesien

Der Beitrag von Dr. Renata Schumann "Einige Anmerkungen zur Diskussion über Ortsnamen in Oberschlesien", in Silesia Superior Nr. 3 / 08.2002, veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen:

Was den ehemaligen Kreis Groß Strehlitz und seine Ortsnamen betrifft, so habe ich in der einschlägigen Literatur keine Hinweise entdecken können, die die Behauptung der Autorin stützt, die jahrhunderte alte deutsche Ortsbezeichnung von Dziewkowice wäre Frauenfeld.

Tatsächlich wurde dieser Ort erst durch amtliche Verfügung mit Wirkung vom 3.7.1936 in Frauenfeld umbenannt. So findet man diesen Ort bei J. G. Knie in seiner " Uebersicht der Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuß. Provinz Schlesien...", Zweite Auflage Breslau 1845, unter "Dziewkowitz, Dziewkowice (d.h. Mägdedorf)...". Zwanzig Jahre später findet sich bei Felix Triest im Topographischen Handbuch von Oberschlesien, Breslau 1864/65, nur noch die deutsche Ortsbezeichnung "Dziewkowitz" mit dem Hinweis: "Der Name wird von Dziewka=Magd abgeleitet". Auch das Preußische Statistische Landesamt führt den Ort im Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen, Band VII. Provinz Oberschlesien (nach dem endgültigen Ergebnis der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und anderen amtlichen Quellen unter Zugrundelegung des Gebietsstandes vom 1. März 1932). Berlin 1932, nicht unter Frauenfeld sondern nun noch weiter eingedeutscht und ebenfalls ohne die polnische Ortsbezeichnung unter "Schewkowitz".

1945 passierte also mit der Umbennennung von Frauenfeld in Dziewkowice nichts anderes, als die Wiederherstellung der ursprünglichen historischen Ortsbezeichnung, wie sie der polnischsprachige Teil der dortigen Bevölkerung schon immer verwendet hatte. Soweit die Realitäten. Wer also nach heutigem Wissensstand die nationalsozialistische Schöpfung "Frauenfeld" weiterhin favorisiert, darf sich also nicht wundern, wenn dies bei polnischen Mitbürgern verständliche Ängste auslöst.
Ähnliches dürfte auch für die Ausführungen der Autorin gelten, der Annaberg hätte historisch Helmberg geheißen, seiner helmartigen Form wegen und es bestünde kein Grund, in deutschsprachigen Publikationen Chelm-Berg zu schreiben.

Schon einmal empfanden deutsche Oberschlesier die historische Flurbezeichnung Chelm, die sie bis dahin ganz selbstverständlich gebrauchten, plötzlich als Beleidigung für deutsche Ohren, was 1933 zur Umbennung der deutschsprachigen Publikation "Aus dem Chelmer Land" in "Aus dem Annaberger Land" (nicht etwa aus dem Helmberger Land) führte. Es handelte sich bei dieser Publikation um das seit 1925 als Monatsbeilage zur Groß Strehlitzer Zeitung erscheinende "Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde im Kreise Groß Strehlitz O.S. und des Chelmgebirgsvereins mit dem Sitze in Leschnitz." Daß es dieselben Herausgeber ab 1933 nunmehr als "Heimatkundliches Mitteilungsblatt des NSLV im Kreis Groß Strehlitz" bezeichneten, zeugt lediglich von dem Erfolg der Nationalsozialisten bei der Gleichschaltung der oberschlesischen Lehrerschaft zu jener Zeit.

Übrigens habe ich ebenfalls vergeblich nach Belegen dafür gesucht, daß der Annaberg jemals Helmberg hieß. Wohl aber gibt es Hinweise darauf, daß er in früheren Zeiten auch als Georgsberg bezeichnet wurde.

Schließlich heißt es in dem Beitrag weiter: "Das Wort Chelm kommt nachweisbar von Helm. Unzählige Ritter sind im Mittelalter aus Deutschland nach Schlesien und Polen gekommen. Ähnlich wie Bürger und Bauern. Daher auch szlachta - von Geschlecht, ratusz von Rathaus, dach von Dach und cegla von Ziegel, plug von Pflug."

Auch diese Erklärung erscheint mir zweifelhaft. Denn allen bisher bekannten Entlehnungstheorien zufolge handelte es sich zu dieser Zeit bei der Übernahme von Fremdelementen in die polnischen Sprache, wie sie z.B. aus dem Deutschen entlehnt wurden, nur um sogenannte notwendige, also solche, mit denen zusammen eine den Entlehnenden bisher unbekannte oder nur in einem bestimmten Zusammenhange unbekannte Sache übernommen wurde (vgl. Reiter, Norbert: Sozialer Status und Funktion des Wasserpolnischen innerhalb der oberschlesischen Industriegesellschaft" in: Oberschlesisches Jahrbuch 1985/Band 1, S. 191.). Die uns heute als Annaberg bekannte Erhebung dürfte nun aber unbestritten schon vor der deutschen Einwanderung existiert haben.

Ob die nachfolgende Erklärung zur Herkunft des Wortes Chelm stichhaltiger ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Das möchte ich lieber einem ausgewiesenen Ethymologen überlassen. Überzeugender erscheint sie mir aber allemal:

"Vielfach hört man heute vom Chelmgebirge sprechen. Damit drückt man ein und denselben Begriff doppelt aus, denn chelm bedeutet bereits Hügel, Berg. Wir finden das Wort in einer ganzen Reihe von indogermanischen Sprachen. Im Lateinischen erscheint es als culmen = Höhe, Gipfel, im ehemals keltischen Sprachgebiet hat es sich als culm erhalten z.B. in Rigi-Kulm, Kulmbach. Im Germanischen hat das entsprechende Holm die Bedeutung Insel und Hügel. Die Beziehung zwischen diesen beiden Begriffen ist leicht einzusehen, denn wenn man auf der glatten See fährt, erscheint einem die Insel auch als Hügel. Weiter bezeichnet Holm auch die erhöhte Stätte, auf der Schiffe gebaut werden, in diesem Sinne finden wir Stockholm und in der Bedeutung Insel den Namen Bornholm. Im ehemaligen altpreußischen Gebiete sehen wir als Bezeichnung eines Hügels bei Stettin den Namen Golm. Im Polnischen tritt die Form chelm auf, vor allem in den Randgebieten der polnischen Sprache als Ortsbezeichnung wie z.B. in Ostoberschlesien Großchelm. Im Russischen lautet die Entsprechung cholm. So heißt die Gouvernementsstadt im östlichen Polen russisch Cholm und polnisch Chelm.
Aus dem Vorhergehenden geht hervor, daß man wohl vom Chelmer Land, nicht aber vom Chelmgebirge sprechen kann. Wollten wir für dieses Wort die deutsche Form einsetzen, so müssen wir unser schönes Heimatgebirge das Holmerland nennen." (vgl. Dr. W. Mak, Das Wort chelm, in: "Aus dem Chelmer Land" Nr. 5/1926).

Barbara Rommel
Forschungsgruppe Landkreis Groß Strehlitz
in der Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V.