Die bereits traditionsträchtigen Gespräche über
Schlesien gestern, heute und morgen fanden dieses Jahr zum siebten Mal wiederum in der bischöflichen Residenz im Schloss Groß Stein und
unter der Schirmherrschaft des Erzbischofs Prof. Alfons Nossol statt. Sie waren unter das Motto - Schlesien als gelebtes Europa - gestellt.
Bemerkenswert war dabei die Zusammenarbeit der bisherigen kirchlichen Organisatoren, vor allem des verdienstvollen
Beauftragten für die Seelsorge der Minderheiten im Oppelner Schlesien Pfarrer Wolfgang Globisch, mit dem Haus für deutsch-polnische
Zusammenarbeit in Gleiwitz unter der Leitung von Direktor Thaddäus Schäpe mit seinen jungendlichen Mitarbeitern.
Organisatorisch mitverantwortlich zeichnete ebenfalls das Eichendorff-Konversatorium.
Das Gleiwitzer Haus hatte vor allem für die Logistik und - wie es sich erwies - hervorragend funktionierende Technik
gesorgt. Die Teilnehmer wurden - wenn nötig - mit Hörgeräten mit Übersetzungen aus der jeweils anderen Sprache versorgt.
Es war ein in der Tat bemerkenswerter Schulternschluss zwischen der Kirche und dem Gleiwitzer Haus, das sich vor allem
sozialdemokratischen Traditionen verpflichtet fühlt. Professor Johanna Rostropowicz vom Eichendorff -Konversatorium kommentierte dies
lapidar: wenn man ein gemeinsames Ziel hat, geht man auch gemeinsam.
Doch war die übergreifende Zusammenarbeit, das Zusammenfinden von Deutschen und Polen, von Menschen verschiedenen
Alters, und unterschiedlicher Interessengruppen überhaupt charakteristisch für diese thematisch überbordende, eine Woche andauernde
Begegnung.
Die Themen betrafen das komplizierte Problem der Identitäten in Oberschlesien, weiter ging es um Geschichte - die alte
bis zur neuesten, ein Tag war der Seelsorge gewidmet, an einem anderen die Probleme ethnischer Minderheiten thematisiert. In den letzten
zwei Tagen wurde praxisbezogen über Kultur und Jugend im Raum Oberschlesien diskutiert.
Die Zeit für die Vorträge war ihrer Fülle entsprechend knapp, dafür aber die Zeit für Diskussionen reichlich
bemessen. Das machte die Lebendigkeit der Begegnungen aus. Die Folge der Vielfalt war allerdings eine kaum zu bewältigende Flut der Eindrücke,
die bei den Teilnehmern wahrscheinlich nachhaltig wirken wird. Und es ist gut so. Plädierte doch bereits Nietzsche für ein Chaos, aus dem
Sterne wachsen würden.
Ein besonderes Vergnügen war es, den autobiografischen Reflexionen des Erzbischofs zu lauschen, der über seine
Erfahrungen mit der Identität als einheimischen Kind erzählte.
Ähnlich plauderte der Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Dr. Hupka über seine Wahrnehmungen auch
polnischer Elemente im Stadtbild Ratibors seiner Kindheit. Dr. Hupka gilt heute in Polen fast als wandelndes Monument der aus Polen
vertriebenen Deutschen.
Hochkarätiges hatten die Professoren Joachim Menzel, Marek Szczepanski, Joachim Piegsa und andere aus Ost und West zu
bieten.
Der bekannte Kattowitzer Publizist Michal Smolorz sprach vor allem über und für die Belange der Oberschlesier eines
ethnischen Bekenntnisses.
Auf eine andere Weise signifikant war die Anwesenheit der Vertreter und Vertreterinnen der Woiwodschaftsbehörden, die
sehr viel menschliches Entgegenkommen und Verständnis für die Probleme der deutschen Oberschlesier signalisierten.
Die heftigsten Emotionen jedoch weckten die Vorträge
über die schmerzlichen Kapitel der jüngsten Geschichte, über das Nachkriegsschicksal der deutschen Oberschlesier, die zu einem Teil des
Landes vertrieben, zum anderen im Lande geblieben (Vortrag von Frau R. Schumann- Anm. der Silesia Superior), in Zersplitterung und
Selbstentfremdung gestoßen wurden. Besonders das Verhalten des polnischen Klerus während der Zwangsassimilierung verbittert bis heute die
stark am katholischen Glauben hängenden Oberschlesiern (Vortrag vom E. Pollok). Die lebendige Reaktion war ein Beweis, wie notwendig Gespräche
gerade über diese Verletzungen sind. Es wurde den Anwesenden klar: Nur aufrichtige Gespräche können heute heilsam wirken.
Die alljährlichen Seminare im überaus stilvollen Rahmen des Schlosses und des Parkes mit Eichendorffscher Atmosphäre
gehören inzwischen zu den wichtigsten Kulturveranstaltungen des Landes. Mit ihnen bietet die Katholische Kirche und jetzt auch das Haus für
deutsch-polnischen Zusammenarbeit einen Boden für authentische Verständigung und aufrichtige Versöhnung.
Daher ist dieser wichtigen Begegnung aufrichtig zu wünschen - ad multos annos!