Zum 200. Gründungstag des Lehrerseminars
Oberglogau/Glogowek
Über die Toleranz eines preußischen Königs
In Oberglogau/Glogowek werden sich nach 5o Jahren Menschen treffen, um an ihr erstes Lehrerexamen am
Staatlichen Lehrerseminar zu denken und dieses Jubiläum feierlich zu begehen. Allerdings: Entstanden ist dieses ehrwürdige
Seminar als Königlich-Preußisches Lehrerseminar vor genau 2oo Jahren. 45 Jahre später sorgte König Wilhelm IV und
sein Kultusminister v. Eichhorn dafür, dass dieses Lehrerseminar zweisprachig wurde: Deutsch- und Polnisch.
Jene Lehrkräfte, die des Polnischen nicht mächtig waren, wurden versetzt. Es war wohl das erste
Lehrerseminar dieses Typus im westlichen Oberschlesien und das einzige in der Region Oppeln.
Diese Politik, daß jeder so reden sollte, wie ihm der Schnabel gewachsen war, wurde vom nachfolgenden
Minister v. Raumer kontinuiiert.
Herausragender polnischer Seminarist war der Literat Karol Miarka. Überhaupt wurde das Lehrerseminar
zum kulturellen Zentrum des Städtchens an der Hotzenplotz. Und auch zum Zentrum des "Cäcilianismus", der
katholischen Kirchenmusik.
Nicht wenige der Musiklehrer waren gute Komponisten. Und viele Absolventen gingen in die oberschlesische
Provinz und wurden im Nebenberuf tüchtige Organisten, Chorleiter oder Privatmusiklehrer.
Ende der 20-er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das deutsche Lehrerseminar aufgelöst und zum
Gymnasium in Aufbauform, ergo zum verkürzten Gymnasium für Jungen und Madchen, was einmalig war.
1945 war es kurzfristig deutsches, dann sowjetisches Feldlazarett. Doch kurz darauf zog dann ein
polnisches Staatliches Lehrerseminar in seine Mauern ein.
Bald herrschte dort auch stalinistischer Drill und man nannte es "Kaderschmiedes des
Sozialismus", ebenso die Schuldirektion selbst. Nach Stalins Tod wurde auch dies alles ein wenig lockerer. Ende des
Schuljahrs 1970 meldete das KP-Organ "Trybuna Opolska", daß die letzten 60 Absolventen das Seminar verlassen
hätten. Seit 1945 seien es insgesamt mehr als 1000 gewesen. Die Zahl deutscher Absolventen war aus ideologischen Gründen
begrenzt. Einige Absolventen, nicht nur Deutsche, hat es in den westlichen Teil Deutschlands verschlagen. Trotz strenger
ideologischer Ausrichtung, sind nicht wenige dem Glauben ihrer Vorfahren treu geblieben.
Heute befindet sich in den roten Backsteinmauern ein Oberstufengymnasium. Der Verfasser wird
nostalgisch, wenn er das altehrwürdige Gebäude erblickt. Gewichtige Umbauten um die vorige Jahrhundertwende hat der
Großvater getätigt. Und dem wäre es wohl nicht im Traum eingefallen, daß hier einst eine polnische Schwiegerenkelin
die Schulbank drücken würde...
Joachim Georg Görlich