Geist, also Spiritus
Uns, den Angehörigen des oberschlesischen Landvolkes, wird nun mal seit altersher nicht
allzuviel Spiritus nachgesagt – es sei denn, in unseren Blutbahnen, in dessen flüssiger Form. Dieser Umstand mag
betrüblich, ja, gar unzutreffend sein, er ist aber eine Tatsache.
Nun, es ist ein allgemein zu beobachtendes Phänomen, daß das Benehmen der Menschen
– so auch der Oberschlesier – des öfteren von einer Art ist, als ob es ihnen daran gelegen wäre, die
Klischees und Vorurteile über sich selbst zu festigen. So auch im unten geschilderten Fall.
Seit geraumer Zeit lese ich – so z.B. heute in „Wprost“ Nr.6 –
immer wieder von der Inschrift „Hitlersee“ auf dem Kriegsdenkmal in Szczedrzik.
Wie kann man diesen Begriff – wenn auch verdeckt – nur eine Minute lang
dulden, angesichts dessen, daß heute, Anno Domini 2003 – und folgendes schreibe ich wohlwissend, daß es vielen
meiner Landsleute hüben wie drüben nicht sonderlich behagt – Oberschlesien, und damit auch das Dorf Szczedrzik,
dem Staate der Polen, unseren Nachbarn, Nächsten und Mitbürgern in Europa gehört? (Wenn auch nicht aufgrund
irgendwelcher „Potsdamer Beschlüsse“, denn hätte es diese überhaupt gegeben, wie die polnische Seite
aufgrund eines in Potsdam verfassten, nicht unterschriebenen Kommuniquees immer wieder suggeriert, würden sie nichtig,
denn gegen das Völkerrecht zustande gekommen; dies wußten die Sieger, deswegen nur das Kommuniquee. Daraus folgt: Mag
die Abtrennung der ehemals deutschen Ostgebiete politisch/historisch begründet gewesen sein oder nicht, sie war
widerrechtlich. Dies bleibt ein Faktum.)
Aber zur Sache zurück: Was für ein Kretin – um mich ins Französische zu flüchten
– hat dies nicht bedacht? Wie kann man auf diese Art so massiv den eigenen Interessen schaden? Wie kann man auf
diese rücksichtslos – provokante Weise das polnische Trauma herausfordern, an dem die Polen leiden und von dem
sie auch nicht lassen wollen, weil: 1) Sie hegen die Befürchtung, dies könnte zur Wiederholung der Geschichte führen,
2) Dies sind sie ihren unmitellbar betroffenen Vorfahren und sich selber als Nachgeborene schuldig, 3) Sie verlören
sonst einen großen Teil ihres Selbstverständnisses als „Christus der Völker“.
Wo sonst, als in Oberschlesien, sollte man über die polnischen Befindlichkeiten
genauestens Bescheid wissen? Und daß diese Befindlichkeiten wohl nachvollziehbarer Begründungen nicht entbehren?
Es wäre doch von äußerster Dringlichkeit gewesen, diese Inschrift so schnell und so
leise wie nur möglich zu entfernen. Es hat leider an beherzter, kluger Vorgehensweise gefehlt – und jetzt fällt
es schwer, den Polen die Stirn zu bieten und muß die Suppe auslöffeln, die man sich selbst zusammengebraut hatte. Es
wird lange dauern, bis sie verdaut ist.
***
Da es in bezug auf Oberschlesien ein aktuelles Thema ist, erlaube ich mir, auch Mal zum
Phänomen der Namensänderungen wie folgt das Wort zu ergreifen:
Sie sind nichts Neues und es bedarf nicht unbedingt eines national –
sozialistischen Gesetzes, um sie in die Wege zu leiten. Ohne dessen beschleunigende Wirkung leugnen zu wollen, denke
ich, daß die Zeit für Namensänderungen in Oberschlesien reif war; dies dürfte zum Beispiel auch an der
Nachhaltigkeit zu erkennen sein, mit welcher die neuen Namen bis heute im Bewußtsein der Betroffenen verankert sind.
Die obige Meinung äußerten übrigens auch schon Andere in namhaften polnischen
Zeitungen; es ist mir allerdings nicht möglich, weder der Ersten noch der Zweiten Namen zu nennen, denn es geschah zu
einer Zeit, in der ich noch dachte, meine ureigenen Angelegenheiten getrost in fremder Leute Händen belassen zu können.
***
Im übrigen möchte ich auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß die Polemik in
dem oben erwähnten „Wprost“ – Artikel nicht gänzlich ohne Heuchelei auskommt. So wird da die Frage
aufgeworfen, ob in London ein Denkmal zu Ehren der deutschen Flieger entstehen könnte?
Liebe polnische Brüder: London ist nie deutsch gewesen. Dies läßt sich von
Oberschlesien nicht (mehr) behaupten.
Voreingenommen ist auch die Verbissenheit, mit der man polnischerseits gegen das Eiserne
Kreuz auf den oberschlesischen Kriegsdenkmälern ankämpft. Es ist nun mal so, daß der Sovietkommunismus mehr Menschen
umgebracht hat als Nazideutschland; dies auch nicht auf viel weniger grausame Art und Weise. Ebenfalls ist es eine
Tatsache, daß er einer der Hauptsieger des Weltkriegs wurde. Ich frage: Ist das Letztere etwa der Grund, warum man in
der ganzen Welt Scharen von reflexionsunfähigen Wohlstandskindern erlaubt, den roten Stern auf ihrer Kleidung zur Schau
zu tragen?
Alfred Bartylla - Blanke