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11_02/2003

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Wie sich Uropa und Uroma kennerlernten und wie sie auf dem Lande lebten

Seit dem sich die deutschen Oberschlesier vor dreizehn Jahren die Anerkennung ihrer Existenz in Polen erkämpft haben und das Nebeneinander- und Miteinander der Deutschen und der Polen in Schlesien immer reibungsloser funktioniert, wächst nun auch stetig das Interesse der Polen am Poshlonsku-Dialekt, den die meisten Deutschen in Oberschlesien im Alltag sprechen sowie an der Kultur, der Geschichte und den Traditionen der alteingesessenen Oberschlesier. So finden die verschiedensten Veranstaltungen, Vorträge oder Wettbewerbe statt, die das Wissen über die Kultur der Oberschlesier unter den polnischen Nachbarn verbreiten sollen.

Zu einem solchen Landes-(Wojewodschafts)-weiten Wettbewerb, in dem die besten im poshlonsku-Dialekt geschrieben Erzählungen über die oberschlesische Kultur und Traditionen ausgezeichnet wurden hat sich vor einigen Monaten mein zwölfjähriger Cousin Michael aus Reitersdorf/Körnitz (Kreis Neustadt) angemeldet. Es ist natürlich wenig verwunderlich, dass die Erzählung, mit der mein Cousin immerhin bis ins Finale kam, aus der Feder unserer Großmutter Maria Smarzly aus Reitersdorf, die sich sehr für Familien- und Heimatgeschichte interessiert, stammt.

Diese Erzählung möchte ich hier ins Deutsche übersetzt wiedergeben, wobei ich einige klassisch poshlonske Ausdrücke hier im Original mit Erklärung wiedergebe.

Früher als mein Uropa noch ein junger Mann war, haben sich die jungen Leute auch geliebt und haben geheiratet. Die Eltern achteten darauf, dass ihre Kinder anständig erwuchsen und ordentlich heirateten. Es gab überall große Familien. Auf dem Lande war das so, dass derjenige der das Elternhaus erben sollte nicht früher heiraten durfte, als bis alle seine Geschwister verheiratet waren. Er musste auch jedem seinen Erbanteil auszahlen.

Die jungen Leute lernten sich sehr oft durch Vermittlung kennen. Es gab damals Heiratsvermittler, die diesen zur Heirat verhalfen. Die Heiratsvermittler machten das natürlich nicht umsonst. Oft geschah es, dass ins Elternhaus der jungen Frau ein Mann mit einem Jüngling kam, den Eltern der Jungfrau diesen vorstellte und lobte wie gut und arbeitsam dieser doch sei, doch das wichtigste war, wie viel Morgen Ackerland, Vieh oder Geld die Tochter als Mitgift bekommt. Erst als sich die Eltern der Jungen Leute einig wurden, durften sich diese näher kennen lernen, das jedoch nur unter Aufsicht der Eltern. Die Zeit als der junge Bursche das Mädel besuchte nannte man Soulyty.

Johann Smarzly und Hedwig Smarzly geb. Moritz, Reitersdorf 1956

In meiner Familie war es so als sich mein Uropa und meine Uroma kennerlernten.

Uropa Johann ist alleine mit seiner alten Mutter geblieben. Seine Schwestern waren bereits verheiratet. Er war bisher zu keinem Mädchen auf Soulyty gegangen. Bevor er aber in den Krieg (1914-1918) ging, suchte er einmal den Kretscham in Reitersdorf auf, traf dort seine Freunde und sagte zu einem „Josef, du hast fünf Töchter, lass mir eine, wenn ich vom Krieg zurück komme, dann werde ich sie heiraten“. „Gut Hannys, geh in den Krieg und komme wieder glücklich heim, dann kriegst du eines der Mädchen“ antwortete Josef Moritz. Der Krieg ging zu Ende, Uropa ist heimgekehrt und heiratete Uroma Hedwig. Er war damals 44 Jahre alt und Uroma 32.

Sie lebten zufrieden, waren glücklich und wurden Eltern von drei Kindern. Und wenn auch die Zeiten sehr schwer waren hatten sie Freude an ihren Kindern und es ging ihnen gut. Auf einer kleinen Landwirtschaft hatten sie Arbeit genug. Das Feld bearbeiteten sie mit Kühen. Getreide säten sie mit den Händen. Als die Ernte kam, schärfte Uropa die Sense und mähte und Uroma ging hinter ihm her raffte das Getreide und fasste es in Snopki (Bündel) zusammen. Dann stellten sie Modeliki (Garben) auf. Das Getreide fuhren sie dann mit den Kühen auf dem Drabiniauk (Kuhgespann/Leiterwagen) in die Scheune wo es in den Ssomshäk (Banse- Teil der Scheune, wo die Garben vom Erntewagen entladen und gepackt werden) entladen wurde. Im Winter wurde das Getreide mit dem Dreschflügel ausgedroschen. Aus dem Roggenstroh wurden Seile gemacht, die für das Binden von Gerste gebraucht wurden. Mit dem Korn fuhren sie in die Mühle um es zu mahlen. Aus dem Mehl wurde dann Brot gebacken. Neben dem Ofen stand der ¿urauk (Topf für den Sauerteig) aus dem so manches mal schon der Sauerteig heraustropfte. Der Sauerteig wurde gebraucht zur Zubereitung des Teiges für das Brot. Uroma holte eine Dzieschka (Backtrog - rundes Holzfass in dem der Brotteig über Nacht zum Ansteigen eingelegt wurde) an den Ofen und mischte aus Mehl, Wasser und Sauerteig die Teigmasse für das Brot. Im Flur stand der Wiälauk (Brotofen). Uroma zündete im Wiälauk Feuer an, teilte die Brotmasse in Pätzynki (Brotleibe), legte diese in Ssomionki (Brotformen aus Stroh) ein, bestrich diese mit Wasser, machte auf ihnen Kreuze, legte die geformten Brotleibe aus den Ssomionki auf eine Holzschippe und schob diese in den Ofen. Im ganzen Haus roch es bald nach frischgebackenem Brot. Sie melkte auch die Kühe und aus der Milch machte sie Saure Milch, Quark, sammelte den Rahm aus der Milch und schlug ihn zu Butter. Daraus formte sie Fontshiki (Stücke Butter zu ein Pfund = ca. 0,5 Kg) welche sie mit schönen Blumenmustern schmückte und verkaufte diese dann.

Sie kam so zu Recht wie alle Frauen auf dem Lande dieser Zeit. Als eines der Kinder krank wurde oder erkältet war, bereitete sie warmes Wasser zu, goss es in eine Schüssel und ließ das Kind seine Füße darin wärmen. Den Hals beschmierte sie mit Gänsefett, den sie in einem kleinem Bunzlauer Topf für Medikamente aufbewahrte. Sie goss auch heißen Tee aus Linde, Holunder oder Getreidesut auf, die sie im Sommer gesammelt und getrocknet hatte. Den Tee gab sie dem kranken Kind zu trinken und legte auch noch aufgeheizten Ziegelstein ins Bett.

Meine Uroma kleidete sich in Volkstracht. Sie ging in einer Kätzka (weibl. Rock, von der Hüfte bis an oder über die Knie reichendes Oberbekleidungsstück), Jupa (Joppe= Ärmellose, Taillenlose Jacke / Hausjoppe, Lederjoppe /getragen über dem Hemd ./mhd. jop(p)e, juppe „Wams, Jacke, Frauenrock“,/ ital. giuppa „Jacke, Wams“) und Soupaska (Schürze - um die Hüften gebundenes Kleidungsstück- für den Alltag) und trug auf dem Kopf einen Tuch. Für Sonntage und Feiertage hatte sie bessere Gewänder, wie die Maselonka (Rock/Schaube aus Musselin), Jupa mit Webmustern, Seidenschürze mit hübschen Rosenmustern und für den Kopf eine mit Blumen gestickte oder gehäkelte Tibetka (Kopftuch) oder ein Plejtuch (Stola - schalartiger Umhang für Frauen). Diese Kleider hatte sie schön geordnet in einer Schublade in der Kommode liegen. Die Haare hatte sie glatt gekämmt, in einen Zopf gewickelt, in einen Kranz gedreht und mit Haarnadeln zusammen gehalten.

Meine Uroma war eine harte Frau. Es gab außer Gott und der Obrigkeit keinen vor dem sie Angst hatte. Sie hatte einen ernsten Gesichtsausdruck, sah bisschen aus als würde sie immer leicht lächeln, doch in Wirklichkeit lächelte sie nur sehr selten, denn die Kinder wurden erwachsen und der Kummer wuchs. Die Söhne wurden in den Krieg genommen und die junge Tochter, welche ein Jahr nach der Vermählung Zwillinge zur Welt brachte starb mit einem der Säuglinge. Sie war 24 Jahre jung. Das überlebende Kind zogen Uropa und Uroma groß.

Mein Uropa war ein guter und ein sehr gottesfürchtiger Mensch. Neben dem Haus steht heute noch eine Glocke die der Uropa jeden Mittag und Abend zum „Ave Maria“ läutete. Er zog seine Mütze aus, hängte diese an den Zaunpfahl, läutete und als er zu Ende geläutet hatte, nahm er die Mütze wieder in die Hände und betete fromm.

In die Kirche hatte er sehr weit zu gehen. Er ging unterm Stock über den Feldweg bergauf, geradewegs über Chmielnik bis nach Kerpen. Im Winter, wenn Schnee fiel, wurde es noch schwieriger. Manchmal gab es solche Schneeverwehungen, dass man den Weg nicht mehr sah.

Uroma musste ihm das Oberhemd nicht bügeln, da er am Hals eine Forengla (Vorhemd -Hemdbrust, wird hinten am Kragen u. im Rücken mit Knöpfen geschlossen wird) trug. Diese war genäht aus schwarzem Samt und hatte drei Perlmutknöpfe als Schmuck angenäht. Er spielte gerne auf dem Akkordeon. Seine Lieblingsmelodie war „sa studaom na rzytze pajsie dziaucha kaczyce, kaczyce (hinter der Scheune am Fluss hütet ein Mädchen die Enten, die Enten)“. Dieses Lied hat Uroma oft vorgesummt, als sie ihre Enkel in den Schlaff wiegte. So haben diese das Lied von ihr gelernt. Im Winter saß Uropa am Ofen und rauchte seine Fajfka (Pfeife).

Sie lebten zufrieden und erlebten ein greises Alter. Geblieben sind von ihnen Fotografien, manche Erinnerungsstücke und Erinnerungen.

Andreas Smarzly

Januar 2003


 

 


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