© Schlesien heute - www.slonsk.de  - 03/2001

  SLONSK

Dürfen in Birawa keine Deutschen leben?

Seltsame Entscheidung des Oppelner Woiwoden

Schlesien heute 9/2000 Görlitz/Schlesien

 Schlesien heute 

Da sich das polnische Selbstverwaltungs­gesetz ständig ändert, müssen demnach auch die Satzungen der Gemeinden verändert werden. Diese Änderungen müssen dann dem Oppelner Woiwoden Adam Peziol als dem Vertreter der polnischen Regierung vor­gelegt werden. Bei einer Kontrolle der Satzung der Gemeinde Birawa (Reigersfeld) entdeckte der Woiwode eine seit zehn Jahren vorhan­dene Feststellung, daß in der Gemeinde neben den Polen auch Deutsche le­ben. Adam Peziol ist aber der Auffassung, daß der Gemeinderat in Birawa mit dieser

Formulierung kraß das polnische Recht verletzte und erklär­te vor wenigen Wo­chen diese Fest­stellung in der Sa­tzung für nichtig.

Die Gemeinde Bira­wa ist dank des engagierten Vorsit­zenden des Gemeinderates, Joachim Niemann, der auch Geschäftsführer des „Verbandes der deutschen Gesellschaften in Polen“ (VdG) ist, für ihre deutschfreundlichen Initiativen bekannt. Vor zwei Jahren sorgte Birawa für Aufsehen, als der Gemeinderat an das polni­sche Parlament appellierte, die bis heute noch nicht vollzogene Verabschiedung des Minderheitengesetzes zu beschleunigen. Im damaligen Appell forderte der Gemeinde­rat, die bis heute noch nicht erfolgte Einführung zweisprachiger Ortsschilder im Siedlungsgebiet der deutschen Minderheit. Hier in Birawa wurde auch die erste zwei­sprachige Grundschule in der Woiwodschaft Oppeln eingerichtet.

Der vom Woiwoden beanstandete Satz hat sich für die Gemeinde Birawa in den letzten zehn Jahren als sehr wichtig erwiesen. Der Gemeinderatvorsitzende Niemann meint, daß dank dieses Satzes den deutschen Bewohnern der Gemeinde eine Art Sicherheit gegeben wurde, daß sie in der Gemeinde gleichberechtigte Bürger sind. Dieser Satz war auch eine Grundlage für die Schul- und Kulturpolitik der Gemeinde und half finanzielle Mittel für viele deutschftreundliche Initiativen zu erlangen. Der Gemeinde hat dieser Satz in den Bemühungen um finanzielle Unterstützung, sowohl bei den polnischen wie bei den deutschen Stiftungen und öffentlichen Geldge­bern, sehr geholfen. Die Gemeinde konnte sich immer darauf berufen, daß die Präsenz der deutschen Bevölkerung sogar in der Satzung der Gemeinde verankert ist.

Klage beim obersten Verwaltungsgericht

Der Gemeinderat verklagte die Entschei­dung der Woiwoden Peziol bei dem polnischen Obersten Verwaltungsgericht. In der Klage wird darauf hingewiesen, daß der deutsch-­polnische Vertrag aus dem Jahre 1991 ein­deutig der deutschen Minderheit die Möglichkeit garantiert, sich frei zu ihrer Identität zu bekennen. Auch die von Polen akzeptierten europäischen Rechtsnormen geben den Gemeinden das Recht, das Leben in der Gemeinde selbst zu bestimmen. Aus dem polnischen Selbstver­waltungsrecht, wird in der Klage der Gemeinde Birawa weiter behauptet, ist dagegen das Verbot der Erwähnung der Deutschen in der Satzung der Gemeinde nicht abzuleiten.

Joachim Niemann vermutet hinter der Entscheidung des Woiwoden einen durch den deutsch-polnischen Vertrag verbotenen Versuch der Zwangsassimilierung. Das Verbot der Verankerung der Anwesenheit der deutschen Minderheit in der Satzung der Gemeinde neben der fortschreitenden Verdrängung der deutschen Minderheit aus den lokalen Medien in der Woiwodschaft Oppeln (s. Sh 7/2000) ist ein beunruhigendes Zeichen der allgemein sich verschlechternden Situation der deut­schen Minderheit in Schlesien. 

(Sh)


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