www.slonsk.de - 04/2001

  SLONSK

SEELSORGLICHE RÜCKSICHTEN IM OBERSCHLESISCHEN ABSTIMMUNGSGEBIETE FÜR DIE ÜBERGANGSZEIT

KALENDARIUM 

Arnulf Hein

15.12.1921

Kardinal Bertram ermahnt in einer Pastoralanweisung den Klerus im Teilungsgebiet, Gottesdienste, Religionsunterricht sowie Beicht- und Kommunionunterricht wie bis 1920 praktiziert in der „Sprache des Herzens“ aller Gemeindemitglieder, auch die der Minorität, zu erteilen. 

„Hirtenwort/Pastoralanweisung
Breslau, 15. Dezember 1921

SEELSORGLICHE RÜCKSICHTEN IM OBERSCHLESISCHEN ABSTIMMUNGSGEBIETE FÜR DIE ÜBERGANGSZEIT .

Zeiten stürmischer Volksbewegungen und nationaler Erregung sind nicht geeignet zu raschen Änderungen auf religiösem Gebiete. Diese Erwägung veranlaßt mich, dem hoch­würdigen Klerus, insbesondere dem Klerus des gesamten seitherigen Abstimmungsgebie­tes diesseits und jenseits der neuen Grenzlinie, meine schon so oft erlassenen Mahnungen in Erinnerung zu bringen, den religiösen Interessen der Parochianen beiderlei Sprache stets die gleiche Rücksicht und die gleiche Liebe in Wort und Werk zu bekunden. Wie ich den Regierungsbehörden in den Jahren vor der Revolution wiederholt in eindringlichen Eingaben und auch in voller Öffentlichkeit ernste Vorhaltungen wegen der notwendigen gleichmäßigen Berücksichtigung gemacht habe, so lege ich jetzt allen Kreisen und ganz besonders eindringlich dem hochwürdigen Klerus dringend ans meiner Mahnungen gerecht und versöhnend zu wirken.

Daher soll bis auf weiteres in zweisprachigen Gemeinden hinsichtlich der Sprache des Gottesdienstes es als Regel gelten, daß die Übung der Berücksichtigung der sprachlichen Minorität im seither ortsüblich gewesenen Umfange sowohl diesseits wie jenseits der Grenzlinie, einerlei ob es sich um eine polnische oder deutsche Minorität handelt, ohne Änderung beibehalten werde, weil in der Volksseele durch Änderungen in diesem Augen­blicke zu leicht Erbitterung hervorgerufen wird und ein Anreiz zu Gegenmaßnahmen auf anderer Seite nicht ausbleibt.

Dasselbe gilt von der Sprache des Religionsunterrichtes, soweit der Klerus auf diese Einfluß hat, insbesondere bei Vorhandensein einer genügenden Minderheit hinsichtlich des gemeinsamen Beicht- und Kommunionunterrichts.

In der gleichen Gesinnung und nach denselben Grundsätzen, wie sie aus Obigem sich ergeben, sollen auch die katholischen Vereine, soweit sie kirchlich sind oder kirchlichem Einflusse unterstehen, ihre Wirksamkeit unter Vermeidung politischer Agitation gestalten. Mit den vorstehenden Weisungen ist nicht gesagt, daß nicht mit der Zeit einige Änderun­gen einzutreten haben, je nach den örtlichen Verhältnissen. In dieser Hinsicht werden mein Generalvikar in Breslau und mein Delegat in dem zu Polen übergehenden Gebiete Vorschlä­ge zu rechter Zeit prüfen und nach Ermessen mir unterbreiten. Zunächst aber ist nach den be­dauerlichen Wirren der letzten Zeit nötig, eine wahre innere Beruhigung des Volkes zwecks der jetzt mehr als je zuvor notwendigen friedlichen und fruchtbaren Entfaltung des seelsorg­lichen Einflusses anzustreben. Diesem friedenstiftenden Ziele soll obige Anordnung dienen. Mögen die kommenden heiligen Tage mit ihrer Verheißung: In terra pax hominibus bonae voluntatis! besonders segensreich werden für das so schwer geprüfte oberschlesische Volk.

Breslau, den 15. Dezember 1921

A. Kard. Bertram, Fürstbischof.“


Verordnungen des Fürstbischöflichen Generalvikariatamtes zu  Breslau 1922, Nr. 5, S. 5. Abgedruckt in: Adolf Kardinal Bertram, Hirtenbriefe und Hirtenworte, Bearb. von Werner Marschall, Köln u.a. 2000, S. 210-211