SEELSORGLICHE RÜCKSICHTEN IM OBERSCHLESISCHEN ABSTIMMUNGSGEBIETE FÜR DIE ÜBERGANGSZEIT |
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KALENDARIUM |
Arnulf Hein |
15.12.1921 |
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Kardinal Bertram ermahnt in
einer Pastoralanweisung den Klerus im Teilungsgebiet, Gottesdienste,
Religionsunterricht sowie Beicht- und Kommunionunterricht wie bis 1920
praktiziert in der „Sprache des Herzens“ aller Gemeindemitglieder,
auch die der Minorität, zu erteilen. |
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„Hirtenwort/Pastoralanweisung SEELSORGLICHE RÜCKSICHTEN IM OBERSCHLESISCHEN ABSTIMMUNGSGEBIETE FÜR DIE ÜBERGANGSZEIT . Zeiten
stürmischer Volksbewegungen und nationaler Erregung sind nicht geeignet zu
raschen Änderungen auf religiösem Gebiete. Diese Erwägung veranlaßt mich,
dem hochwürdigen Klerus, insbesondere dem Klerus des gesamten seitherigen
Abstimmungsgebietes diesseits und jenseits der neuen Grenzlinie, meine schon
so oft erlassenen Mahnungen in Erinnerung zu bringen, den religiösen Interessen
der Parochianen beiderlei Sprache stets die gleiche Rücksicht und die gleiche
Liebe in Wort und Werk zu bekunden. Wie ich den Regierungsbehörden in den
Jahren vor der Revolution wiederholt in eindringlichen Eingaben und auch in
voller Öffentlichkeit ernste Vorhaltungen wegen der notwendigen gleichmäßigen
Berücksichtigung gemacht habe, so lege ich jetzt allen Kreisen und ganz
besonders eindringlich dem hochwürdigen Klerus dringend ans meiner Mahnungen
gerecht und versöhnend zu wirken. Daher
soll bis auf weiteres in zweisprachigen Gemeinden hinsichtlich der Sprache des
Gottesdienstes es als Regel gelten, daß die Übung der Berücksichtigung der
sprachlichen Minorität im seither ortsüblich gewesenen Umfange sowohl
diesseits wie jenseits der Grenzlinie, einerlei ob es sich um eine polnische
oder deutsche Minorität handelt, ohne Änderung beibehalten werde, weil in der
Volksseele durch Änderungen in diesem Augenblicke zu leicht Erbitterung
hervorgerufen wird und ein Anreiz zu Gegenmaßnahmen auf anderer Seite nicht
ausbleibt. Dasselbe
gilt von der Sprache des Religionsunterrichtes, soweit der Klerus auf diese
Einfluß hat, insbesondere bei Vorhandensein einer genügenden Minderheit
hinsichtlich des gemeinsamen Beicht- und Kommunionunterrichts. In
der gleichen Gesinnung und nach denselben Grundsätzen, wie sie aus Obigem sich
ergeben, sollen auch die katholischen Vereine, soweit sie kirchlich sind oder
kirchlichem Einflusse unterstehen, ihre Wirksamkeit unter Vermeidung politischer
Agitation gestalten. Mit den vorstehenden Weisungen ist nicht gesagt, daß nicht
mit der Zeit einige Änderungen einzutreten haben, je nach den örtlichen Verhältnissen.
In dieser Hinsicht werden mein Generalvikar in Breslau und mein Delegat in dem
zu Polen übergehenden Gebiete Vorschläge zu rechter Zeit prüfen und nach
Ermessen mir unterbreiten. Zunächst aber ist nach den bedauerlichen Wirren
der letzten Zeit nötig, eine wahre innere Beruhigung des Volkes zwecks der
jetzt mehr als je zuvor notwendigen friedlichen und fruchtbaren Entfaltung des
seelsorglichen Einflusses anzustreben. Diesem friedenstiftenden Ziele soll
obige Anordnung dienen. Mögen die kommenden heiligen Tage mit ihrer Verheißung:
In terra pax hominibus bonae voluntatis! besonders segensreich werden für das
so schwer geprüfte oberschlesische Volk. Breslau,
den 15. Dezember 1921 A.
Kard. Bertram, Fürstbischof.“ Verordnungen des Fürstbischöflichen Generalvikariatamtes zu Breslau 1922, Nr. 5, S. 5. Abgedruckt in: Adolf Kardinal Bertram, Hirtenbriefe und Hirtenworte, Bearb. von Werner Marschall, Köln u.a. 2000, S. 210-211 |