Eine Bittschrift der Erzpriester des Industriebezirkes |
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KALENDARIUM |
Arnulf Hein |
4.11.1920 |
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„Oppeln, den 4.XI.1920. Euer Eminenz überreiche ich gehorsamst eine Bittschrift der Erzpriester des Industriebezirkes um Fernhaltung von Exdiözesanen vom Abstimmungsgebiet; in der Anlage befindet sich eine Liste der augenblicklich hier weilenden Exdiözesanen, ein Aufruf der polnischen Geistlichen Nordamerikas, die gebürtige Oberschlesier sind. Ich betone, daß die Liste nicht vollständig ist. Erst in vergangener Woche celebrierte bei mir ein Geistlicher Cieszynski mit einem frisch ausgestellten Celebret von Eminenz Dalbor, der dann in Poppelau eine Hetzrede hielt; ein anderer Geistlicher, der seinen Namen nicht angab, in Kolonie Goslawitz. Wir bitten gehorsamst, daß in Rom Fürsorge getroffen wird, daß diesen Agitatoren im Priesterkleid das Handwerk gelegt wird. Wir beabsichtigen in Kürze, in diesem Sinne auch bei Exzcllenz Pacelli vorstellig zu werden und bitten gehorsamst um Unterstützung. Euer Eminenz gehorsamst Pfarrer Josef Kubis. - - - Bitte um Fernhaltung von Geistlichen fremder Diözesen aus dem oberschlesischen Abstimmungsgebiet. Präs. 4. Nov. 1920 An Fürstbischöfliche Kurie in Breslau Eminenz überreichen unterzeichnete Pfarrer des oberschlesischen Abstimmungsgebietes eine Liste hier augenblicklich weilender fremden Diözesen angehörender Welt- und Ordenspriester mit der Bitte, an maßgebender kirchlicher Stelle dahin zu wirken, daß den Exdiözesanen der Aufenthalt im Abstimmungsgebiet lediglich zur Vornahme des Plebiszites gewährt wird oder jede Art von Agitation ihnen streng untersagt wird. Wir begründen unsere Bitte wie folgt : Der gläubige katholische Oberschlesier sah zum Ausbruch des Krieges in seinem Seelsorger nicht bloß seinen Führer in geistlichen Dingen, sondern vielfach auch in politischer Hinsicht. Wo sich früher in politischen Kämpfen Geistliche gegenüberstanden, wurde der Kampf meist loyal und ruhig ausgetragen. Wo dieses nicht geschah, litt die priesterliche Autorität darunter und mit ihr, - da der gläubige Oberschlesier Priester und Kirche nicht trennen kann - , die Sache der Kirche Bleibt. Der weitaus überwiegende Teil des Klerus begrüßte deshalb dankbarst die Kundgebung seines Oberhirten an den Diözesanklerus vom 24. Juni 1919 (Verordnung 661). Hätte sich der gesamte Klerus des Abstimmungsgebietes in seiner Tätigkeit an die Weisungen dieser Verordnung gehalten, so wäre dem oberschlesischen Volk und der katholischen Sache viel Schaden erspart geblieben. Obwohl diese Verordnung jedem Priester und jedem Laien voll Meinungsfreiheit läßt, aber nur in der Kirche und bei kirchlichen Veranstaltungen die Erörterung dieser Frage nicht zuläßt, gab sich ein Teil des Klerus mit dieser Kundgebung nicht zufrieden, betrachtete vielmehr die politische Abstimmungsfrage auch als eine kirchliche Frage und hielt es, im Gegensatz zum Bischof, für seine Pflicht, offen auf der Kanzel, im Beichtstuhl und bei kirchlichen Veranstaltungen für Polen zu agitieren und dabei offen und versteckt zu betonen, der Bischof habe keine Jurisdiktion über das Abstimmungsgebiet. Da es in jeder Pfarrei Anhänger für Polen und Deutschland gibt, zerfielen infolge dieser Agitation die betr. Geistlichen mit dem Teil der Parochanen, der deutsch orientiert ist, schadeten ungeheuer dem kirchlichen Leben nicht bloß in ihren Gemeinden, so daß es vielfach zu skandalösen Szenen, ja zum Blutvergießen kam. Die Agitation der Diözesangeistlichen nimmt jetzt allmählich ab, da sie selber den Schaden sehen, den sie anrichten. Diesem Ausfall an Agitationskräften sollen jetzt die der Diözese nicht angehörenden Geistlichen ersetzten. Während vor dem Kriege polnische Geistliche fremder Diözesen sich selten in O-S. aufhielten, sind sie jetzt sehr zahlreich anzutreffen. Die Seelsorge hat sie nicht nach O-S. gerufen, sie braucht sie auch nicht. Sie sind auch darin nicht tätig. Ihre Betätigung ist eine andere. Die beiliegende Liste weißt nicht längst alle auf. Viele kommen aus Posen, Galizien oder Polen für einige Tage hierher, melden sich beim Ortspfarrer gar nicht an, agitieren rücksichtslos gegen Bischof und Pfarrer, um dann wieder zu verschwinden. Oft zelebrieren sie gar nicht. Dic polnische Propaganda legt großes Gewicht darauf, das Geistliche agitieren, weil das Priesterkleid beim oberschlesischen Volke besonders wirkt, und die Abstimmung so als religiöse Frage dokumentiert wird. Diese Geistlichen wohnen vielfach auch bei Laien. Sie bringen sich dadurch in große Gefahr und geben Ärgernis, zumal einige von ihnen sittlich nicht genügend gefestigt scheinen. Schon, daß die Geistlichen nicht zelebrieren, erregt viel Ärgernis. Meist schieben sie die Schuld daran auf den Pfarrer oder den Bischof, den sie beim Volke anschwärzen, er lasse sie nicht zelebrieren, beichthören, usw., weil sie polnisch gesinnt seien. Agitieren sie nun in Pfarreien, wo die Pfarrer neutral oder deutsch gesinnt sind, so ist die Autorität des Pfarrers und das Vertrauen zu ihm bald geschwunden, da sie geflissentlich dem Volke den Glauben beibringen, polnisch und katholisch sei identisch, der Katholik dürfte sich nur für Polen entscheiden, ihr Pfarrer, der nicht für Polen ist, ist ein bezahlter Deutscher. Zu welchem Fanatismus eine so radikalisierende Menge fähig sei, dafür sprechen die Vorkommnisse in Bojschow, Boguschütz, Rosdzin, Jedzonnik, Radzionkau, Ornontowitz Usw. Das Blut, das im Aufstand geflossen ist, kommt zum Teil auch auf das Konto dieser Agitation. Die traurigste Erscheinung dieser priesterlichen Agitation ist, daß sich diese Priester nicht an die Vorschriften der Diözese halten, offen erklären, der Breslauer Bischof ist ein Deutscher und als solcher unser Gegner; außerdem habe er in Oberschlesien nichts mehr zu sagen, und glauben tun zu dürfen, was sie wollen. Das oberschlesische Volk, das nicht den Unterschied zwischen privater und kirchlicher Tätigkeit, sondern in allem den Priester sieht, wird irre an seinem Klerus und am Glauben. Die Folgen sind die denkbar traurigsten. Nach Mitteilung des im polnischen Plebiszit-Kommissariat tätigen Priesters Ligendza (Diözese Wloclawek) sollen etwa 50 polnische Geistliche aus Amerika nach Oberschlesien kommen. Wie diese ihre Aufgabe in Oberschlesien auffassen, davon zeugt ihr beiliegender Aufruf an das oberschlesische Volk. Wir verhehlen auch nicht hinzuweisen auf das übrige Deutschland, wo die Katholiken in der Minderheit sind, wenn es dort heißt, die katholischen Geistlichen in Oberschlesien agitieren gegen Deutschland. Nach allem haben wir den Eindruck, als ob die Oberen der fremden Diözesen, bezw. die Ordensoberen, ihre polnischen Geistlichen absichtlich zu Propagandazwecken nach Oberschlesien beurlauben. Wenn der Heilige Vater in väterlicher Sorge die im Militärdienst verwendeten Geistlichen nach Beendigung des Krieges unter Androhung strenger Strafen zur sofortigen Rückkehr in ihr Kloster oder in ihre Diözese aufforderte, so scheint es den Intentionen des Obersten Hirten zu widersprechen, wenn sich im Abstimmungsgebiet Nichtdiözesanen und Ordensgeistliche monatelang lediglich der politischen Propaganda widmen, zum eigenen sittlichen Verderb und zum großen Schaden des katholischen Lebens in der Diözese. Wir bitten daher Euer Eminenz beim Heiligen Stuhl dahin vorstellig zu werden. daß alle Nichtdiözesanpriester und Ordensgeistliche während der Vorbereitung des Plebiszits vom Abstimmungsgebiet möglichst fern bleiben oder daß sie, falls sie hier verbleiben müssen, mit Rücksicht auf ihren Stand und das Wohl der Kirche genau die Anordnungen des Diözesanbischofs befolgen und sich jeglicher Agitation enthalten.
Tylla, Päpstlicher Hausprälat; Kubis, Erzpriester; Tunkel, Erzpriester; Bertzik, Erzpriester; Kubis, Pfarrer, Oppeln. - - - Anlage: Liste der Exdiözesanen Ligcndza, Wcltpriester, Diöz. Wloclawek; z. Zt. Bcuthen O-S; Lukaczkiewicz. Weltpr., Diöz. Lembcrg; Sikora, Salesianer, aus Oswiecim, in verschiedenen Ortschaften; Opielka, Salesiancr, aus Oswiecim, im Landkrcis Beuthen; Bujara, Salesiancr, aus Oswiecim, meißt Dcutsch-Piekar; Krzoska, Weltpr. Diözose Lcmberg, z. Zt. Zabrze; Cymalla, ehem. Angeh. d. Ordens S.V. D., z. Zt. Mikultschütz; Midgalski, Wcltpr. Diöz. Cleveland (Amerika), Schwientochlowitz; Dziadzia, Weltpr. Diöz. Omaka (Amerika), Bismarkhüttc; Kuczcra, Orden d. Hl. Fam., Kloster Grawe, Holland, Friedenshüttc; Karch, Wcltpr. Diöz. ?, Amerika, Alt-Repten; Trzoska, Wcltpr. Diöz. ?, Amcrika, Alt-Rcptcn; Zawadtzki, Wcltpr. Diöz ? Amerika, Radzionkau; Zdechlik, Weltpr. Diöz. in Bulgarien, Lipinc; Walenta, Salesianer, Kloster Oswiecim, Ratibor; Bilritzki, Lazarist, Kloster Krakau, in verschiedenen Orten; Mattloch, ehem. Salvatorianer, Lockau/Bodensee, im Kreis Ratibor; Faustman, Weltpr. Diöz. Posen, bereist Kreis Roscnberg u. Lublinitz; Wozniok Wilh., Wozniok Hcinr., Weltpr. Diöz. Peuria, Amerika, Schoppinitz; Wozniok Karl, poln. Militärgstl.; Czaplewski, Weltpr. Diöz. Lemberg, Nikolai; Wronka, Subdiakon, Posen, Groß Strehlitz; Pawolek, Oblat, Kloster Krotoschin, Deutsch-Piekar; Nowok, Weltpr. Diöz. Posen. in versch. Orten des Kreises Cosel; Anton, (S. J.) Jesuitenpater, Kochanowitz; Gorny, Gesellschaft der Kreuzherren in Krakau, in verschied. Ortcn des Kreises Plcss; Poremski, Wcltpr., in Skroskau bei Frau von Rekowski (Rosenberg).“ Entnommen: Ks. Kichal Lewek, Gornoslaski Plebiscyt z roku 1921 oraz udzial w nim duchowienstwa katolickiego, Chorzow 1991, s. 68-71 |