Nationalist oder ehrbarer Wissenschaftler ? Protest gegen Professor Franciszek Antoni Marek |
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Schlesien heute 10/2000 Görlitz/Schlesien |
Renate Pistellok |
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Der Rektor der Universität Oppeln, Stanislaw
Nicieja, ist in einem Schreiben aufgefordert worden, den Gründungsrektor und
Historiker Franciszek Antoni Marek von allen Tätigkeiten an der Hochschule
unverzüglich zu entbinden und aus allen ihr angeschlossenen Gesellschaften
auszuschließen. Mehrere Unterzeichner eines entsprechenden Briefes sprechen dem
bekannten Historiker einen wissenschaftlichen Ehrenkodex ab, da sie zu der
Auffassung gelangt seien, daß Marek "die Geschichte zu Gunsten seiner
eigenen Vorhaben verdreht und Lügen verbreitet". "es ist nicht
zulässig, daß ein Wissenschaftler jungen Studenten Lügen als Wahrheiten
darstellt, die diese dann wegen ihrer Abhängigkeit vom Prüfer beim Examen
wahrscheinlich auch noch bei Vorträgen und am Arbeitsplatz (in der Schule)
wiederholen." Auf diesem Weg, heißt es weiter, würden durch die Studenten
an der Universität Oppeln als Multiplikatoren über Oberschlesien weiterhin
Lügen verbreitet. Nach Ansicht der Briefautorcn sei eindeutig festzustellen,
daß Professor Marek den Deutschen gegenüber feindlich gesinnt sei. Sie fordern
das Rektorat auf, gegen den in Gogolin lebenden Historiker "wegen der
Verbreitung historischer Unwahrheiten" eine Kommission einzuberufen, die
dessen Werk untersuche.
Franciszek Antoni Marek gehört zu den schillerndsten und bekanntesten Persönlichkeiten Oberschlesiens. Er genießt nicht nur bei Teilen der polnischen Fachkollegen höchste Anerkennung, sondern auch bei ehemals in Schlesien arbeitenden bundesdeutschen Beamten, offenbar nicht zuletzt aufgrund seiner Kenntnisse der deutschen und gesamtschlesischen Geschichte und Literatur. So sei der ehemalige Vizekonsul in Oppeln, Manfred Gerwinat, häufiger zu Gast bei der Familie Marek, heißt es. Der 1930 in Ost-Oberschlesien geborene und autgewachsene Historiker schrieb mehrere Bücher und Aufsätze, in denen er seine Sicht der Geschichte Oberschlesiens dargestellt hat, wonach die Oberschlesier unter preußischer Germanisierung und deutscher Ausbeutung schwer zu leiden hatten. Die slawischsprachigen Oberschlesier seien "seit der Trennung vom polnischen Mutterland" aber d cm Polenturn treu geblieben, was sich vor allem dadurch ausgedrückt habe, daß sie in Polnisch - und nicht in oberschlesischer Mundart oder Deutsch beteten und beichteten. Denn, so Marek, Polnisch sei für sie ein "Heiligtum" gewesen. Schließlich könne man die Leute belügen, "den Herrgott aber nicht." Daß sich heute Oberschlesier zur deutschen Minderheit zugehörig fühlen, liege ausschließlich am ökonomischen Potential der Bundesrepublik, die eine ungemein starke Anziehungskraft ausübe. ln einem 1993 erschienen Buch schrieb Marek, daß "Oberschlesier, die sich deutsch fühlen, ihre menschliche Würde" verlieren, eine inzwischen mehrfach kritisierte Ansicht, die er seitdem ab er mehrfach wiederholte, u.a. 1996 in einem Interview in der kulturellen Monatszeitung "Slask", die aus Mitteln der Bundesrepublik mitfinanziert wird, obwohl sich dort häufig polnische Autoren in ähnlicher Weise äußern können. Zuletzt hat der von Nationalisten aus der Regierungsfraktion AWS und einigen Splitterparteien dominierte Unterausschuß des polnischen Abgeordnetenhauses (Sejm) zur Klärung von strittigen Fragen zu d cm seit Jahren anstehenden Minderheitengesetz den Gogoliner Historiker beauftragt, eine Expertise zur Lage der Deutschen in Oberschlesien zu erstellen, die Marek unter dem Titel "Ocena mniejszosci niemieckiej na Slasku Opolskim" vor wenigen Monaten einreichen konnte. Diese Analyse ist von einem Hang zur Warnung vor der Gefahr einer angeblichen "Germanisierung" Oberschlesiens geprägt, die im Juli die polnische Bauernpartei PSL im Sejm dazu veranlaßte, in einer Interpellation an die Regierung um eine "Untersuchung über die Durchsetzung polnischer Rechte in den wiedergewonnenen Gebieten" zu bitten. Marek äuf3ert sich in seiner vorgelegten Arbeit dahingehend, daß an der "Germanisierung" auch die katholische Kirche beteiligt sei und dabei vom Ausland aus gesteuert werde, was wohl nicht anders zu übersetzen ist, als daß der Oppelner Erzbischof Alfons Nossol im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz die Oberschlesier "einzudeutschen" versuche. Die zweisprachigen Gotteslobe " Weg zum Himmel", die seit Ostern 1997 im deutschsprachigen Gottesdienst offiziell verwendet werden dürfen, führt Marek dabei als prägnantestes Beispiel an. Solange an oberschlesischen Schulen drei Stunden in der Woche Deutsch als "Muttersprache" unterrichtet werde, so heißt es weiter, können die oberschlesischen jugendlichen "nicht als anständige Leute aufwachsen". Außerdem beklagt er eine angebliche Diskriminierung des polnischen Oberschlesiertums in der eigenen Heimat nicht zuletzt dank der "passiven Behörden". Der Breslauer PSLSejmabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der "Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit", Janusz Dobrosz, sieht in der Untersuchung Mareks eine Bestätigung dafür, daß Deutschland Oberschlesien zu indoktrinieren versuche, damit Schlesien bald wieder "Heim ins Reich" geholt werden könne. Die Universität Oppeln ist bislang zu keiner offiziellen Stellungnahme zum oben genannten Brief bereit gewesen. Es ist aber offensichtlich, daß sie Marek stützt und die Forderungen nach einer Distanzierung von ihm grundsätzlich ablehnt. Gegenüber dem "Schlesischen Wochenblatt" äußerte der Prorektor der Universität Oppeln, Leszek Kuberski, daß es zu keiner Untersuchung kommen werde. Die Vorwürfe gegen Franciszek Marek hätten ihn sehr verwundert. (Sh) Schlesien
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