Jetzt sind neue Zeiten... |
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Schlesien heute 12/2000 Görlitz/Schlesien |
Arnulf Hein |
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Im
konkreten Fall geht es um ein Massengrab auf dem Friedhof an der Coseler Straße
in Gleiwitz. In diesem lagen fast 500 Menschen, darunter wahrscheinlich einige
Wehrmachtssoldaten (Kriegsgefangene?), überwiegend aber Frauen und Kinder und
Alte, die die ersten Monate ihrer Befreiung in ihrer Heimatstadt nicht überlebten.
Später, in den Fünfzigern, wurde das Massengrab dann noch einmal geöffnet.
Seinerzeit genehmigte die Stadtregierung einer Steinmetzerei sich auf der
Nekropholie niederzulassen, wofür allerdings eine heute unbekannte Anzahl von
Gräbern planiert werden mußte. Die gefundenen sterblichen Überreste wurden
sodann zu den Opfern von 1945 in das Massengrab umgebettet. Der
Friedhof ist stadtbekannt, auch weil hier im Schatten alter hoher Bäume französische
Soldaten aus der Abstimmungszeit beerdigt liegen, die heute übrigens unter dem
Schutz der Kirche stehen sollen. Jahrzehntelang, nicht erst seit 1989, brannten
an Allerheiligen beim Massengrab und bei den restlichen deutschen Einzel- und
Familiengräbern Kerzen, ein Hinweis darauf, daß die Einheimischen um der
Bedeutung dieses Ortes wußten. Gleich
nach der politischen Wende ist von verschiedener deutscher Seite die Errichtung
eines Denkmals für die 1945 Verstorbenen angeregt worden, jedoch ohne bei den
Stadtoberen auf wirkliches Interesse zu stoßen. Jemand, der sich anfangs noch
in dieser Geschichte engagiert hatte und über gute Kontakte zur Stadtregierung
verfügte, und glaubte, daß sich nach 1990 in manchen Köpfen ein Wandel
eingestellt hätte, zog sich alsbald zurück. Es sei alles ein Durcheinander
gewesen. Mal wollten die ein Denkmal, dann wieder nicht. Zwischendurch
versuchten sie, die Kirche mit einzubeziehen, aber die lehnten gleich ab, weil
ihr die Tatsache des Massengrabes überhaupt nicht behagen wollte. Ende
Juni dieses Jahres entschloß sich dann die örtliche Minderheit, die Öffentlichkeit
mit einer Zeitungsanzeige auf das Problem aufmerksam zu machen. Angehörige der
Toten sollten sich melden, zwecks der Errichtung eines Gedenkkreuzes. Im August
folgte der Gleiwitzer Kreis in Deutschland mit Aufrufen in der
Vertriebenenpresse. So geschah es auch in der Augustausgabe dieser Zeitung.
Mindestens zehn in Deutschland wohnende Gleiwitzer, von denen der Gleiwitzer
Kreis weiß, schrieben an die Stadtverwaltung. Wohl zu spät. Als die Schreiben
an der Klodnitz eintrafen, war der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit
seiner polnischen Partnerorganisation „Pamiec“ seit Mitte September längst
dabei, die sterblichen Überreste aus dem Massengrab in 492 Pappschachteln zu
verpacken und für die Umbettung zum Kriegsgräberfriedhof in Siemannowitz
vorzubereiten. Dort liegen sie heute, ohne Gedenktafel, ohne jeglichen Hinweis
auf die zivilen Toten, von denen ein Teil bereits vor 1945 eines natürlichen
Todes starb, deren Gräber jedoch in den Fünfzigern einem Handwerksbetrieb
weichen mußten. Keine zweieinhalb Monate nach dem ersten Appell in der
Gleiwitzer Lokalzeitung „Nowiny Gliwickie“. Das läßt erahnen, daß hier
nur vordergründig nach einer moralischen und für alle Seiten annehmbaren Lösung
gesucht worden ist. Denn eine
solche Entscheidung konnten die Stadtväter und der Volksbund nicht von heute
auf morgen treffen, sondern bereits Wochen im voraus, beklagen sich dagebliebene
Gleiwitzer, die von den Arbeiten erst aus der Presse erfuhren.
Mitte
Oktober waren die Arbeiten beendet, und es schien Gras über diese Sache zu
wachsen. Bis zwei Journalisten nicht locker lassen wollten und am 10. November
in der Kattowitzer Ausgabe der „Gazeta Wyborcza“ mehreren regionalen Persönlichkeiten
die Gelegenheit gaben, Stellungnahmen abzugeben, die in einer solchen Schärfe
unerwartet deutlich ausfielen. Der Kriegsgräberfriedhof Siemannowitz pferche
die oberschlesische Vergangenheit „auf ein paar Hektar Grünland“ und er
„verfälscht das Bild Oberschlesiens“, kritisiert der Krakauer
Geschichtswissenschaftler Professor Jan Drabina das „skandalöse Vorgehen“.
Jetzt sei eine weitere „historische Spur verwischt“. Izabelle Gutfeter,
Sprecherin von „Pamiec“, die für den Volksbund vor Ort tätig ist, weiß
diese Kritik überhaupt nicht nachzuvollziehen: „Wie soll man nach 50 Jahren
die Überreste von zivilen und militärischen Opfern unterscheiden?“ Und die
Sammelplätze in Polen seien gar keine Soldaten-, sondern Kriegsfriedhöfe,
wohin auch zivile Tote gehörten. Scharfer
Tobak auch vom ansonsten zurückhaltenden polnisch-oberschlesischen
Schriftsteller Stanislaw Bieniasz, der dem Volksbund gar mit seinem Ratschlag
bedenkt, sich aus schlesischen Dingen zukünftig herauszuhalten. „Deutsche Gräber
müssen gepflegt werden“, und das erst recht von den Kommunen, schließlich
seien es „Zeugen der Geschichte“. Das alles habe was mit einem
„genetischen Anti-Deutschtum“ zu tun, das aus den kommunistischen Zeiten in
das Jetzt herübergerettet worden sei. „Eine Identität“, gibt Taddäus Schäpe,
der Leiter des „Hauses für deutsch-polnische Zusammenarbeit“ in Gleiwitz,
dabei zu bedenken, „kann nicht auf Lügen aufbauen.“ „Die deutschen Gräber
müssen in Schlesien gesehen werden, sie müssen zu Diskussionen anregen. Aber
sie werden einfach weggeschafft, weil es bequemer ist, wenn eine solche
Provokation nicht existiert.“ Lediglich der Senator und Schlesische
Kulturpreisträger des Landes Niedersachsen, Kazimierz Kutz, fand Worte des
Wohlwollens. Derweil
gebären sich die Stadtväter gleich den drei berühmten Affen. Das alles sei
nur ein Mißverständnis, versucht Vizepräsident Janusz Moszinski inzwischen zu
beschwichtigen. Die Stadt sei angeblich von Anfang an gegen diese Umbettung
gewesen; ja, man hätte die Opfer auch mit einem würdigen Gedenkstein ehren
wollen; die Stadt hätte von sich aus auch gerne ein bißchen mehr Platz für
das Grab zur Verfügung gestellt, aber die Kirche habe das eben nicht gewollt.
Die Stadt im Rückzugsgefecht, und das nicht zum ersten Mal. In gewisser Weise
hat die Stadt auch schon Übung darin, etwas einfach klammheimlich ins Werk zu
setzen und dann, wenn das Werk vollbracht ist, den Rückzug anzutreten. Schließlich,
in ein paar Tagen würde niemand mehr darüber sprechen, so die Theorie. Der
Friedhof an der Coseler Straße stand bereits im Frühjahr 1998 in der Kritik.
Damals errichtete die Stadt eine Schrotholzkirche, und die letzten alten
Grabsteine sollte das Zeitliche segnen. Man hatte die aus dem 16. Jahrhundert
stammende Kirche fünf Jahre zuvor auf dem Zentralfriedhof demontiert und wußte
seitdem nicht wohin mit ihr. Schließlich schien die Lösung gefunden, als hätte
es keinen besseren Platz für eine alte oberschlesische Schrotholzkirche
gegeben. Erst
die Anrufe einiger Anwohner der benachbarten Hochhaussiedlung beim deutschen
Sejmabgeordneten aus Gleiwitz, Professor Roman Kurzbauer, der schließlich
protestierte, verhinderten, daß alle deutschen Grabsteine auf einer Mülldeponie
landeten. In Leserbriefen zeigten sich die Einwohner bestürzt über das
Vorgehen. Jene Denkmäler, die den Transport zum Müllplatz durch die
beauftragte Abbruchfirma aus Wadowice bei Krakau heil überstanden, holte das
Stadtbauamt zähneknirschend wieder zurück Nun weiß aber niemand, wo sie
derzeit lagern. Wahrscheinlich sind sie letztendlich doch wieder zur Deponie
verbracht worden. Damals war in der „Trybuna Slaska“ nachzulesen, was die
Stadtverwaltung nicht alles versucht habe. So berichtete der Sprecher des
Stadtpräsidenten, Krzysztof Semik, dem Journalisten, daß „die Stadt seit
1990 nach einer Lösung gesucht hat“. „Wir wollten sie verkaufen und
verarbeiten“, aber die Qualität der Steine habe nicht für Bürgersteine
gereicht. Deshalb habe sich kein Käufer gefunden. Auf die Erklärung der
Zeitung, daß „es schockierend ist, daß der Verwaltung nichts anderes
eingefallen ist, als die Grabsteine zu zerstören“, entgegnete Semik lapidar,
daß deutsche Grabsteine nicht unter Denkmalschutz stünden und deshalb auch
keine Kulturgüter darstellten. Ortswechsel:
Breslau. Breslau ist schön, kosmopolitisch, weltoffen, europäisch... Ein
Jahrzehnt lang war Beata Maciejewska, eine Mitarbeiterin der Breslauer „Gazeta
Wyborcza“, auf der Suche nach den Überresten des letzten deutsch-christlichen
Begräbnisplatzes auf dem Breslauer Stadtgebiet in Oswitz. Mit dem letzten
Lebenshauch der Kommunisten ist dieser Ort des Erinnerns noch platt gemacht
worden. Man habe den Ort „rekultiviert“, wie das heute heißt. Sie
habe sich noch gut an die vielen Grabsteine erinnern können, schreibt
Maciejewska in der Ausgabe vom 10. November, bis plötzlich alles weg war. Heute
weiß sie, daß die Bauarbeiter beim „Umpflügen“ des Friedhofes einen gehörigen
Spaß damit hatten, gefundene Schädel und Skeletteile an den Bäumen aufzuhängen,
wo sie dann von Medizinstudenten für den eigenen universitären Gebrauch
entdeckt wurden. Aber noch mehr hat sie bei ihren Nachforschungen in Erfahrung
bringen können, etwa daß 1989 die Stadt einer Steinhauerei die Grabsteine übereignete,
und zwar mit der Bedingung, mit dem Granit, Marmor und Sandstein nur öffentliche
Aufträge auszuführen, woran sich die Eigentümerin auch penibel hielt. Seitdem
schneidet sie je nach angemeldeten Bedarf für die Stadt die Grabplatten in die
gewünschte Größen zu und bearbeitet sie, will heißen, sie schleift die
beschriebenen Seiten glatt und poliert sie. So sind bei der Restaurierung des
Rathauses ebenso deutsche Grabsteine als neue Bodenplatten im historischen Bürgersaal
verwendet worden wie bei der Renovierung eines Hauses in der Hardenbergstraße,
wo heute das Amt für Sozialversicherungen (ZUS) residiert. Hier reichten die
Grabplatten für eine Treppe und den Empfangsbereich. Auch die „Gesellschaft
der Liebhaber Breslaus“ bediente sich der Steine für ein Denkmal. „Die
Tatsache“, schreibt ein Zeitungsleser Tage nach der Veröffentlichung, „daß
das nach 1989 passiert ist, schockiert.“ „Was
kann man in Breslau aus deutschen Grabdenkmälern alles machen?“, fragt die
„Gazeta Wyborcza“ nicht ohne Ironie, schließlich lägen auf dem städtischen
Bauhof in Mirkau noch „einige tausend Grabsteine“ aus Oswitz. Bei dieser
Frage kommt Marek Szczesny, Direktor der Kommunalfriedhöfe, schnell und mit
ganzem Ernst zur Sache: „Man soll aus den Grabsteinen Pflastersteine und Bürgersteigkanten
machen, und dann billiger verkaufen, als es der Steinbruch in Strehlen verkaufen
kann. Es wird sich verkaufen lassen, und wir sind das Problem los.“ Für den
Sprecher des Stadtrates, Krzysztof Grzelczyk, handelt es sich in Mirkau um
„Halden zerschlagener Steine“, mit denen nicht mehr viel anzufangen sei, was
die Zeitung jedoch so nicht stehen lassen will: Die Gedenksteine seien tatsächlich
„erstaunlich gut erhalten“. So wird in der „Gazeta Wyborcza“ vom 17.
November die Verwaltung aufgefordert, ein „symbolisches Museum für deutsche
Friedhöfe“ zu bauen, wo alle deutschen Grabsteine aufgestellt werden könnten.
„Wir sind das allen denen schuldig, deren Gräber geschändet worden sind, wir
sind es Deutschland, Europa und uns selbst schuldig.“ „Der
Breslauer Fall ist im Grunde genommen eine ‘Norm’“, kommentiert Andrzej
Pochowaj die Vorgänge in der Stadt. In Liegnitz beispielsweise habe er ernüchternd
feststellen müssen, daß die Mauer des Kommunalfriedhofes aus Steinen vom
deutsch-jüdischen Friedhof errichtet worden sei. Und daß in Breslau dieser
Tage auf einem alten Begräbnisplatz eine Tankstelle gebaut werden darf, daß
die Stadtverwaltung überhaupt eine Baugenehmigung erteilte, gleichwohl die Lage
des Friedhofes bekannt war und einige Anwohner bei Baubeginn die Verwaltung
schriftlich mehrmals darüber informierten (Sh 11/2000, S.6), werfe kein gutes
Licht auf Bemühungen, die Stadtverwaltung zu mehr Sensibilität zu drängen. Fast
auf halben Weg zwischen Breslau und Gleiwitz liegt die kleine verschlafene
Ortschaft Mangschütz. Ursprünglich
niederschlesisch, gehört sie heute wie der gesamte Kreis Brieg zur Woiwodschaft
Oppeln. Im Frühjahr des vergangenen Jahres rief ein Dorfbewohner die Redaktion
der „Nowa Trybuna Opolska“ um Hilfe, die auch sofort eine Redakteurin nach
Mangschütz schickte, um dort nach dem Rechten zu sehen. Hinter der
Friedhofsmauer, bei einem Gebüsch, lagen Dutzende von Grabsteinen, christliche wie jüdische. Sie waren frisch
herausgerissen, wahllos übereinander geworfen, so daß ein Teil der Platten
auseinanderbrach. „Aufräumen im Namen der öffentlichen Ordnung“, wurde das
genannt. Und die Einwohner waren weit davon entfernt, gegen das „Aufräumen“
etwas einzuwenden. Ganz im Gegenteil, zitiert die Redakteurin Ewa
Kosowska-Korniak eine ältere Dame: „Es ist doch sehr gut, daß der neue
Pfarrer endlich damit angefangen hat.“ „Und alle kommen da helfen. Alle
arbeiten ehrenamtlich. Manche deutsche Grabsteine waren ja vielleicht schön.
Aber jetzt sind neue Zeiten.“ Darauf angesprochen, daß das wohl nicht wahr
sein dürfe, was da hinter dem Gebüsch herumliegt, versuchte Pfarrer Antoni
Akincza die Journalistin zu beruhigen. Er habe das gemacht, um die Grabsteine zu
retten; sie würden bald wieder aufgestellt. Ob die Einwohner bei ihrem
ehrenamtlichen Elan davon bereits wußten? Jacek Kucharzewski, Oppelns oberster
Konservator, fühlte sich jedenfalls nicht zuständig, einzuschreiten, da für
die Zerstörung deutscher Gräber und Grabsteine keine Genehmigung erteilt
werden müsse. Eigentlich stehe keiner der alten christlich-deutschen Friedhöfe
unter Denkmalschutz, so sei das vor vierzig Jahren nun einmal bestimmt worden.
Erhaltenswürdig seien demnach lediglich alte Steine mit polnischen
Grabinschriften, Gräber von Personen, die an nationalen Erhebungen teilgenommen
hätten, und Denkmäler von hohem kunstgeschichtlichen Wert. - Jedenfalls sah es
im September 1999 noch nicht danach aus, als habe überhaupt jemand Interesse am
Geschehen oder am Schicksal der Grabmäler in Mangschütz. Und bis heute biete
der Friedhof mit den „kreuz und quer“ abgelegten Grabsteinen einen
„trostlosen Anblick“, schreibt ein Heimatbesucher in der letzten
Oktober-Ausgabe der „Briegischen Briefe“. Gleiwitz,
Breslau, Mangschütz. Diese kurze Liste könnte fortgeführt werden,
beispielsweise mit Königlich Neudorf bei Oppeln, mit dem Rektor der Universität
Oppeln, der Grabsteine wie Gartenzwerge sammelt und diese mit studentischen
Hilfskräften in seinem Hintergarten aufstellt, oder mit Stroschwitz
(Strassendorf) bei Löwen. Bedenkenswert ist auch die Phantasie der städtischen
Bürokraten und Politiker, die zuerst an Gehwegplatten, Pflastersteine und Geld
denken, wenn sie nach dem Schicksal
deutscher Gräber befragt werden. Daß niemand auf die Idee kommt, ein
Lapidarium zu errichten oder einem Massengrab einen würdigen Rahmen des
Gedenkens zu verleihen, läßt in mancher Hinsicht Zweifel aufkommen. Warum aber
bleiben deutsche Stellen untätig? Ein penibel gepflegtes Lassalle-Grab sollte
selbst korrekten deutschen Befindlichkeiten zu wenig sein. Sind die
deutsch-polnischen Beziehungen rundweg auf Pragmatismus gewachsen? Geheimnisse
der politischen Rituale gar? Im
Fall Gleiwitz wollen jetzt Henryk Kroll und Dietmar Brehmer, die sich bislang
spinnefeind waren, gemeinsam in
Berlin vorstellig werden und intervenieren. Brehmer lägen weitere Hinweise darüber
vor, daß Volksbund und dessen polnischer Partner „Pamiec“ weitere Ziviltote
nach Siemannowitz umbetten wollen. Vor allem Kroll zeigte sich in der „Gazeta
Wyborcza“ über das Vorgehen seitens des Volksbundes ungehalten. Seit Jahren
bestehe eine Vereinbarung zwischen der Minderheit und dem Volksbund, wonach auf
dem Gebiet der deutschen Minderheit in Oberschlesien und im südlichen Ostpreußen
weder Soldatengräber noch zivile in das Umbettungsprogramm aufgenommen werden dürfen. Zu
fragen ist auch, ob der sakrilegische Umgang mit Gräbern und Denkmälern
vielerorts überhaupt straffrei bleiben darf. Schließlich hat der Sejm den
deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag ratifiziert, und dort heißt es in
Artikel 32 (2) ausdrücklich, „daß deutsche Gräber...geachtet werden und
ihre Pflege ermöglicht“ werden muß. Aber was nützt der „Schutz durch
polnische Gesetze“, wenn ein solcher gesetzlicher Schutz für deutsche Gräber
gar nicht existiert? Letztendlich ist aber alles auch eine Frage der Moral, der
Wertvorstellungen, der Achtung vor dem Anderen - vor allem aber ist es eine
Frage des Wollens. In
der Mitte Europas, wo zwischen 1939 bis Anfang der 1950er so viele Verwerfungen
stattfanden, Bevölkerungen getötet und verschoben oder ausgetauscht wurden,
sind die alten Friedhöfe mehr als nur zugewachsene Schandflecken im Stadtbild
polnischer Städte und Dörfer. Sie sind Gedenkstätten, Stätten der
Geschichte. Sie sind unantastbar, weil sie Zeugen einer untergegangenen Welt
sind. Polens Weg in den Westen führt nicht nur über die schmalen Stege schöner
Worte. Schlesien
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